Mittwoch, 27. Juli 2011

Warum wir im Alter vergesslich werden

Forscher finden Ursache für Erinnerungsverluste - und ein mögliches Gegenmittel

Die US-Forscher konnten feststellen, dass Neuronen im Alter
während eines Erinnerungsvorgangs langsamer feuerten.
Nun hoffen sie darauf, dass Altersvergesslichkeit in Zukunft
einmal rückgängig gemacht werden könnte.

London/Wien - Zugegeben, der Kalauer ist auch nicht mehr ganz jung: "Das Alter hat zwei Nachteile", sagt der rüstige Senior: "Der erste ist das Nachlassen des Gedächtnisses. Und den zweiten habe ich vergessen." Forscher der Universität Yale in den USA haben nun herausgefunden, woran es liegt, dass im Laufe unseres Lebens die Erinnerungsfähigkeit immer stärker schwindet. Und sie bereiten klinische Tests eines Wirkstoffs vor, der die Altersvergesslichkeit rückgängig machen könnte.

Gebremstes Signlafeuer bei älteren Gehirnen

Bekannt ist, dass ältere Gehirne schwächere Ver­bindungen in ihren Nervenbahnen haben und ihre Nervenzellen (Neuronen) weniger oft Signale abfeuern. Dadurch vergessen ältere Menschen eher Dinge als jüngere. Neurowissenschafter und Psychologen um Amy Arnsten sind nun dem zellulären Mechanismus in Versuchen mit Affen verschiedenen Alters auf den Grund gegangen.

Im Zentrum des Interesses stand dabei der präfrontale Cortex, also der vordere Bereich der Großhirnrinde, der für ein funktionierendes Gedächtnis hauptverantwortlich ist. Dieser "Arbeitsspeicher" hilft aber nicht nur, sich an Dinge des alltäglichen Lebens zu erinnern. Er ist auch für abstraktes Denken, für Multitasking oder das Unterdrücken von unangebrachten Gedanken zuständig.

Dieser Speicher muss jedoch ständig aktualisiert werden, weshalb die Neuronen ständig feuern, um Informationen "frisch" zu halten. Wie die Forscher im britischen Wissenschaftsmagazin Nature (online) berichten, ist bei älteren Versuchstieren dieses Signalfeuer jedoch erheblich gebremst. Der Grund dafür: Im präfrontalen Cortex sammeln sich bei älteren Gehirnen sogenannte cAMP-Moleküle an. Diese Signalmoleküle schwächen das Neuronenfeuer, indem sie Kanäle in den Wänden von Nervenzellen öffnen, durch die die Ionen, also elektrisch geladene Teilchen, dringen.

Quelle: YouTube, Video "How Memory is Lost - and Found"

In weiteren Testreihen schufen die Forscher für die älteren Nervenzellen ein neurochemisches Umfeld, das jugendlichen Gehirnen ähnelte - und siehe da: Das Feuern der Neuronen nahm wieder zu. Zur Wiederher­stellung dienten Substanzen, die cAMP-Moleküle unterdrückten oder die Ionenkanäle blockierten.

Eine davon war der Wirkstoff Guanfacine, der bereits für Bluthochdruck bei Erwachsenen und Aufmerksam­keitsdefizit bei Kindern zugelassen ist. Klinische Tests mit älteren Versuchspersonen, die weder an Alzheimer noch anderen Demenzen leiden, sind bereits in Vorbereitung.


Dieser Artikel wurde von Der Standard (Printausgabe 28.07.2011) veröffentlicht und ist unter http://derstandard.at/1310512312326/Gehirnforschung-Warum-wir-im-Alter-vergesslich-werden abrufbar.

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