Donnerstag, 19. Januar 2012

Memristoren: Computerbauteile imitieren Synapse

Künstliche Nerven reagieren wie die echten - IBM "baut" Rattengehirn

Forscher Andy Thomas im Gespräch mit pressetext
(Foto: Universität Bielefeld)

Bielefeld (pte012/19.01.2012/10:10) - Physiker der Universität Bielefeld haben gezeigt, dass Memristoren Eigenschaften von natürlichen Nerven imitieren können. Memristoren sind eine neue Sorte von mikroskopisch kleinen Elektronikbauteilen. Mit ihrer Untersuchung bestätigen die Forscher die theoretische Annahme, dass Memristoren zum Bau künstlicher Gehirne und Nerven­systeme genutzt werden können.

Gehirn effizienter als Computer

"Wenn man sich einen Computer vorstellt, der wie ein menschliches Gehirn funktioniert, ist das Lernkonzept anders als bei herkömmlichen Computern", sagt der Bielefelder Experimen­talphysiker und Privatdozent Andy Thomas gegenüber pressetext. Am Ende hätte man ein lernendes System, unterstreicht der Wissenschaftler.

Noch sind selbst Superrechner nicht so effizient wie das menschliche Gehirn. Weltweit versuchen Forscher jedoch, Nervenzellen künstlich so nachzubauen, dass sie wie ein Gehirn arbeiten. Memristoren wurden erst 2008 entdeckt. "Danach wurde überlegt, was man mit dem Bauteil machen kann. Wir haben ausprobiert, ob man die kleinste Einheit von einem neuronalen Netz aufbauen kann", erklärt Thomas.

Erster Schritt zu neuralem Netz

Forscher von IBM haben es in einem ähnlichen Projekt geschafft, ein Rattengehirn "nachzubauen". "Das ist ein Supercomputer, der eine ganze Halle füllt", berichtet Thomas. Memristoren gelten nun als die neuen Hoffnungsträger. Das Bauteil besteht aus Drähten in Nanogröße. Diese Nanodrähte leiten Strom unter­schiedlich stark.

Wie gut sie leiten beziehungsweise wie stark ihr Widerstand ist, das hängt unter anderem davon ab, wie stark der Strom war, der in der Vergangenheit durch sie geflossen ist und wie lange dieser auf sie einwirken konnte. Das ist die Besonderheit eines Memristors: Er lernt und merkt sich seine "Geschichte" - und das auch dann, wenn der Strom abgeklemmt ist.

Auch Synapsenverbindungen zwischen Nervenzellen werden stärker, je öfter sie beansprucht werden. Die Forscher wollen die Ähnlichkeit zwischen Synapsen und Memristoren zum Beispiel nutzen, um Computer zu konstruieren, die ähnlich schnell und stromsparend wie das menschliche Gehirn arbeiten.


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Donnerstag, 12. Januar 2012

Internetsucht verändert Gehirn nachhaltig

Neurale Verbindungen zwischen verschiedenen Arealen gestört

Junge am Laptop: Zu viel Internet gefährlich
(Foto: pixelio.de, S. Hofschlaeger)

Wuhan (pte006/12.01.2012/10:00) - Websüchtige zeigen ähnliche Veränderungen des Gehirns wie Menschen, die von Drogen oder Alkohol abhängig sind. Zu diesem vorläufigen Ergebnis kommt eine Studie der Chinese Academy of Sciences. Das Team um Hao Lei scannte die Gehirne von 17 jungen Abhängigen und fand Ver­änderungen in ihrer Gehirnstruktur. Die Wissenschaftler gehen davon aus, dass die in Plos One veröffentlichten Forschungsergebnisse zu neuen Behandlungsansätzen für Suchtverhalten führen können.

Weiße Substanz verändert

Internetsucht ist eine klinische Erkrankung, die durch einen außer Kontrolle geratenen Internetkonsum charakterisiert wird. Insgesamt untersuchten die Forscher die Gehirne von 35 Frauen und Männern zwischen 14 und 21 Jahren. Bei 17 wurde ein Internet-Abhängigkeits-Syndrom (IAS) festgestellt.

Grundlage für die Diagnose waren Fragen wie: "Haben Sie wiederholt erfolglos versucht, Ihren Internetkonsum zu kontrollieren, zu reduzieren oder zu beenden?" Spezialisierte Gehirnscans zeigten bei den als internetsüchtig diagnostizierten Teilnehmern Veränderungen in der weißen Substanz des Gehirns, also jenem Bereich, der Nervenfasern enthält.

Störungen bei Nervenfasern

Laut den Wissenschaftlern gab es Hinweise auf eine Störung der Verbindungen der Nervenfasern, die Gehirnbereiche miteinander verbinden, die mit Gefühlen, dem Treffen von Entscheidungen und der Selbstkontrolle in Zusammenhang stehen. Gunter Schumann vom King's College London erklärt, dass ähnliche Forschungsergebnisse auch bei Menschen vorliegen, die nach Computerspielen süchtig sind. Erstmals zeigten zwei Studien Veränderungen in den neuralen Verbindungen zwischen Bereichen des Gehirns und der Gehirnfunktion.


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Donnerstag, 5. Januar 2012

Wenn das Gehirn Winterschlaf hält

Fitness gegen den Lagerkoller? Wissenschaftler der Deutschen Sporthochschule Köln wollen in der eisigen Kälte der Antarktis herausfinden, wie Sport das Denken ankurbeln kann.


Köln/Hannover. Neun Monate Winter, Temperaturen von bis zu minus 86 Grad Celsius und vier Monate lang komplette Dunkelheit: Das Überwintern auf einer Forschungsstation in der Antarktis ist wirklich etwas für Hartgesottene. In der Isolation von der Außenwelt leidet nicht nur die Stimmung der Wissenschaftler. Auch ihre Gehirnaktivität nimmt bei dem normalerweise monotonen Tagesablauf mit nur begrenzten Sozialkontakten im Laufe der Zeit messbar ab. Sportliche Betätigung könnte da möglicherweise Abhilfe schaffen, meinen die Experten der Deutschen Sporthochschule Köln – und testen ihre Hypothese vom 1. Januar an auf der Concordia-Forschungsstation in der Ostant­arktis.

In dem internationalen Forschungsteam mit Teilnehmern aus Belgien, Italien und Ungarn ist die Kölner Sportwissenschaftlerin Vera Abeln für Deutschland mit von der Partie. Bevor im Februar der antarktische Sommer zu Ende geht, bleiben der 29-Jährigen gut drei Wochen, um die 15 Überwinterer auf der Concordia-Station zu dem auf ein Jahr angelegten Sportprogramm zu motivieren und den Stationsarzt für die regelmäßige Überwachung der körperlichen und geistigen Fitness zu schulen. Danach ist die Station bis zum November 2012 von der Außenwelt abgeschnitten.

Wie sich die Isolation auf den Menschen auswirkt, konnten Abeln und ihre Kollegen von der Sporthochschule bereits beim „Mars 500“-Projekt beobachten, bei dem sechs Freiwillige rund anderthalb Jahre lang in Moskau einen Marsflug simulierten. „Wir haben gesehen, dass die Gehirnaktivität bei den Probanden abgenommen hat“, sagt Abeln. Das Gehirn gehe bei dem für die Isolation typischen Mangel an Außenreizen und Sozialkontakten quasi in den Winterschlaf. „Die gute Nachricht ist: Sport schafft es, das Gehirn wieder zu aktivieren“, sagt Abeln. Ob das auch für die Extremsituation einer Antarktis-Überwinterung gilt, wollen die Sportwissenschaftler nun 2012 testen und werden dafür unter anderem von der Europäischen Weltraumorganisation und dem Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt unterstützt.

Alle Wissenschaftler auf der Concordia-Station, die an dem freiwilligen Programm teilnehmen, werden zunächst auf ihre körperliche und geistige Leistungsfähigkeit hin untersucht, sie führen ein Schlaftagebuch und müssen psychische und soziale Tests durchlaufen. Anschließend erhält jeder ein speziell auf ihn zugeschnittenes Ausdauersportprogramm auf dem Laufband oder Fahrradergometer, dessen Anforderungen stufenweise ansteigen. „Beim Versuchsablauf mussten wir uns an den begrenzten Möglichkeiten auf der Station orientieren“, berichtet Abeln.

Sport an der frischen Luft dagegen ist wegen der ungemütlichen Wetterverhältnisse im antarktischen Winter kaum möglich. Bestätigt sich ihre Hypothese von der positiven Wirkung des Sports, wollen Abeln und ihre Kollegen in einem zweiten Schritt verschiedene Sportarten testen, um der effektivsten Fitnessmethode auf die Spur zu kommen.

Ihre Ergebnisse könnten dann unter anderem für Weltraumprojekte nützlich sein. In ihrem Blog beschreibt Vera Abeln ihre Eindrücke während des Aufenthalts in der Antarktis.



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