Mittwoch, 21. Dezember 2011

Deutschlands Superhirn 2011 wird gesucht


Am 28. Dezember 2011 präsentiert Jörg Pilawa im ZDF in einem spektakulären Experiment unglaubliche und verblüffende Gedächtnisleistungen.

Sieben Kandidaten stellen sich im spannenden Wettstreit um den Titel "Deutschlands Superhirn"  ganz außergewöhnlichen Herausforderungen.

Nähere Informationen zur Sendung gibt es hier .

Dienstag, 20. Dezember 2011

IBM: Gedankenlesen bis 2016 Realität

Computerkonzern sagt Technik-Meilensteine der nächsten Jahre voraus

Sportschuhe: Intelligente Energiegewinnung macht
unabhängig (Foto: IBM)

Armonk (pte001/20.12.2011/06:00) - Der Computer­riese IBM hat auch dieses Jahr wieder einen Blick in die Zukunft gewagt. Im Rahmen der "Next 5 in 5"-Reihe veröffentlicht das Unternehmen jährlich eine Aussicht darauf, welche technologischen Fortschritte den Alltag der nächsten fünf Jahre am deutlichsten prägen werden. Vorausgesagt wird etwa die Auflösung des Digidal Divides, fortschreitende Energie-Autarkie und die Erfindung des Gedanken­lesens.

Tiefer Blick ins Gehirn

Bis 2016, so erklärt ein von IBM veröffentlichtes Video, werden erste Schritte im Erkennen und Lesen menschlicher Gedanken bereits umgesetzt sein. Der technologische Fortschritt wird Ärzten und Wissenschaftlern helfen, Hirnaktivitätsmuster besser nachzu­vollziehen, um Störungen wie Autismus besser zu verstehen. Schon heute arbeiten IBM-Forscher daran, Geräte wie Smartphones auf diese Weise steuerbar zu machen. Texte per Gedanken zu diktieren, ist eine der nächsten Applikationen, die auf dem Weg zum Mindreading liegen.

"People Power" macht autark

Die Menschen, so die Prognose weiter, werden kaum noch externe Stromversorgung brauchen. "People Power" sorgt für Autarkie. Alles was in Bewegung ist, von Turnschuhen bis zum in den Leitungen fließenden Wasser, bietet Potenzial zur Elektrizitätserzeugung. Technik-Innovationen werden es möglich machen, diese Energie zu sammeln und zu nutzen, um Eigenheime, Arbeitsplätze oder gar ganze Städte damit zu versorgen.

Mobiltechnologie beseitigt digitalen Graben

Dank des rasanten Aufstiegs der Mobiltechnologien wird in fünf Jahren auch der "Digital Divide", der "Informationsgraben" zwischen industrialisierter Welt und den Schwellen- und Entwicklungsländern, verschwunden sein, verrät der Blick in die Zukunft. Denn 2016 werden 80 Prozent der Weltbevölkerung über ein mobiles Gerät verfügen. Menschen in entlegenen Gegenden hätten dann Zugriff auf die Wettervoraussage oder wüssten, wann der nächste Arzt im Dorf vorbeikommt. Mobile Vermarktung eröffnet dann auch neue Geschäftsmodelle und Formen der Zusammenarbeit.

Intelligente Benachrichtigungen ersetzen Spam

IBM sieht auch das Ende von Spam-Mails voraus und prognostiziert, dass uns intelligente Systeme zukünftig nur die für den Nutzer relevanten Informationen liefern werden, ohne dass dieser explizit danach fragen muss. So könnte man in Zukunft automatisch gewarnt werden, wenn Schlechtwetter eine geplante Reise betrifft oder man erhält einen Hinweis auf den Kartenvorverkauf, wenn die Lieblingsband in der Nähe auftritt. Das Smartphone könnte seinem User gar ganze Einkäufe abnehmen.

Iris-Scan statt Passwort-Chaos

Zu guter Letzt werden auch die oft verhassten Passwortmasken auf Websites zum Relikt der Vergangenheit. Anstatt lange Zeichencodes in Verbindung mit einem Usernamen einzugeben, wird der Login der Zukunft auf biometrische Merkmale zurückgreifen. Daten aus Iris-Scans und Stimmaufnahmen formen dank kluger Software ein einzigartiges Online-DNA-Passwort. Um Geld beim Automaten abheben zu können, wird der Kontoinhaber künftig über seine Stimme oder seine Augen erkannt. Man wird jedoch, auch das hält die Voraussage fest, weiterhin die Möglichkeit haben, selbst darüber zu entscheiden, welche Daten man preisgibt.


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Donnerstag, 8. Dezember 2011

Gehirn schützt Körper vor Überanstrengung

Forscher können nachweisen, wie Muskelermüdung im Kopf entsteht

Versuch im Labor: Fahrrad-Ergometer zur Messung der Hirnaktivität
(Foto: uzh.ch)

Zürich (pte004/08.12.2011/06:15) - Bei Muskel­ermüdung spielt das Gehirn eine wichtige Rolle. Forscher der Universität Zürich haben einen Mechanismus aufgedeckt, der bei ermüdenden Aufgaben eine Reduktion der Muskelleistung bewirkt. "So wird dafür gesorgt, dass die eigenen physiologischen Grenzen nicht überschritten werden. Der Körper wird vor Überlastung geschützt, damit bei Todesgefahren Reserve­kapazitäten übrig bleiben", sagt Studienleiter Kai Lutz im pressetext-Gespräch.

Empirischer Beweis erbracht

Die Wissenschaftler waren bereits theoretisch davon ausgegangen, dass Muskelermüdung und Änderungen der Interaktion zwischen neuronalen Strukturen zusammenhängen. Mit ihrer Studie konnten sie diesen Mechanismus nun erstmals empirisch nachweisen. Die Forschenden konnten zeigen, dass im Verlauf einer ermüdenden Aufgabe Nervenimpulse aus dem Muskel - ganz ähnlich wie Schmerzinformationen - das primäre motorische Areal hemmen.

Nachweisen konnten sie dieses Phänomen anhand von Messungen, bei denen Probanden ermüdende Oberschenkelkontraktionen wiederholt haben. Ermüdungsbedingte Hemmprozesse fielen signifikant schwächer aus. Im zweiten Schritt wurden mit Hilfe einer funktionellen Magnetresonanztomographie jene Hirnregionen lokalisiert, welche kurz vor dem Abbruch einer kraftfordernden Aufgabe einen Aktivitätsanstieg verzeichnen.

Kommunikation wird intensiver

Es sind der Thalamus und der insuläre Kortex. Das sind Hirnareale, die auch Informationen analysieren, welche dem Organismus eine Bedrohung vermitteln, wie beispielsweise Schmerz oder Hunger. Im letzten Schritt konnten die Forscher nachweisen, dass die hemmenden Einflüsse auf die motorische Aktivität tatsächlich via insulären Kortex vermittelt werden. Bei Tests mit dem Fahrradergometer konnten sie beweisen, dass die Kommunikation zwischen dem insulären Kortex und dem primären motorischen Areal mit fortschreitender Ermüdung intensiver wurde.

"Dies kann als Beleg dafür gelten, dass das gefundene neuronale System nicht nur das Gehirn informiert, sondern auch tatsächlich regulierend auf die motorische Aktivität einwirkt", so Doktorandlin Lea Hilty. Neuropsychologe Lutz verweist auf das neue Forschungsfeld, das sich mit diesen Ergebnissen nun eröffnet: "Die Erkenntnisse sind ein wichtiger Schritt bei der Aufdeckung der Rolle, die das Gehirn bei der Muskelermüdung spielt. Auf Basis dieser Arbeiten wird es nicht nur möglich, Strategien zur Optimierung muskulärer Leistung zu entwickeln, sondern auch gezielt nach Gründen für reduzierte muskuläre Leistungsfähigkeit bei verschiedenen Krankheiten zu forschen."


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Dienstag, 29. November 2011

Pianisten: Gehirn verarbeitet Sprache nicht besser

Musizieren hilft jedoch bei Auswertung mehrfacher Sinnesreize

Klavier: Musiker nehmen Fehler nur bei Musik wahr
(Foto: pixelio.de, baxel)

Tübingen (pte013/28.11.2011/12:00) - Wie Menschen mit den Sinnen Signale des Gehirns zeitlich verknüpfen, hängt von ihrer sensomotorischen Erfahrung ab. Das haben zwei Forscherinnen des Max-Planck-Instituts für biologische Kybernetik in Tübingen bei einer Vergleichsstudie mit Musikern und Nichtmusikern zur gleichzeitigen Reizver­arbeitung aus mehreren Sinnen im Gehirn festgestellt. Bei Klavierspielern weiß man, dass sie über die Jahre ein präzises Gespür dafür entwickeln, wie die Tasten­bewegungen und Töne zeitlich zusammenhängen. Ob aber Lippenbewegungen und Sprache synchron zueinander sind, können sie nicht besser beurteilen als Nichtmusiker.

Geschultes Gehör merkt Fehler

"Wir fanden heraus, dass Pianisten deutlich genauer als Nichtmusiker merken, ob die Fingerbewegungen am Klavier und die gehörten Töne in der zeitlichen Abfolge übereinstimmten oder nicht", sagt Forscherin HweeLing Lee gegenüber pressetext. Danach ruft bei Pianisten die Wahrnehmung asynchroner Musik und Handbewegungen verstärkte Fehlersignale in einem Schaltkreis zwischen Kleinhirn, prämotorischen und assoziativen Hirnarealen hervor. Allerdings zeigen sich diese Unterschiede bei den Experimenten mit gesprochenen Sätzen und Lippenbewegungen nicht.

Obwohl Asynchronizität bei Sprache und Musik im Gehirn die gleichen Bereiche aktiviert. "Die Reizverarbeitung im Gehirn der Klavierspieler deutet auf einen kontextspezifischen Mechanismus hin: Durch das Üben am Klavier wird im Schaltkreis von Kleinhirn und prämotorischer Großhirnrinde ein Vorwärtsmodell programmiert, das der Person sehr viel präzisere Vorhersagen über den korrekten zeitlichen Ablauf der Seh- und Hörsignale ermöglicht", erklärt MPI-Forscherin Uta Noppeney.

18 Pianisten gegen 19 Nichtmusiker

Ein asynchroner Reiz meldet also einen Fehler bei der Vorhersage. Die Forscherinnen sehen dies als wichtigen Hinweis, wie das Gehirn allgemein plastisch auf sensomotorische Erfahrungen reagieren kann. Ob Pianisten bei der Beurteilung von Geigenmusik ähnlich gut abschneiden würden, wissen die Forscherinnen noch nicht. "Der nächste Untersuchungsschritt bei der Verarbeitung mehrfacher Sinnesreize im Gehirn muss sein, dass wir die Studienteilnehmer selbst gezielt trainieren, um die Effekte genauer zu untersuchen", sagt Noppeney.

In der Studie haben die MPI-Wissenschaftlerinnen verglichen, wie gut 18 Amateurpianisten gegenüber 19 Nichtmusikern die zeitliche Übereinstimmung einerseits von Fingerbewegungen auf der Tastatur und einer Melodie beziehungsweise andererseits von Lippenbewegungen und gesprochenen Sätzen wahrnehmen können. "Für diese Studie haben wir uns zunutze gemacht, dass die Pianisten seit vielen Jahren speziell diese Tätigkeit trainieren, bei der mehrere Sinnesreize, nämlich Seh- und Hörinformationen, Bewegung und die Berührung der Klaviertasten verbunden werden müssen", erklärt Noppeney.


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Hirnforscher: "Menschheit ist nicht zu dumm"

Gesellschaftliche Versteifung auf Intelligenz birgt Gefahren

Klüger als wir: IQ als alleiniger Maßstab ist gefährlich
(Foto: Spektrum Verlag)

Münster (pte005/29.11.2011/06:15) - Die Intelligenz an sich sowie Techniken, die zu mehr Intelligenz verhelfen sollen, stehen in unserer Gesellschaft hoch im Kurs. Doch weder sind die Fortschrittsversprechen der Wissenschaft bisher einge­troffen, noch besteht tatsächlicher Bedarf für eine künstliche Erhöhung der Intelligenz. Das behauptet der Arzt, Hirnforscher und IT-Spezialist Thomas Grüter in seinem Buch "Klüger als wir? Auf dem Weg zur Hyperintelligenz". Gegenüber pressetext erklärt der Experte, warum Skepsis angebracht ist.

Hype ohne konkrete Erfolge

"Es gibt eindeutig einen Markt für intelligenzsteigernde Mittel", betont Grüter. Chemische "Neuroenhancer", auch "Gehirn­doping" genannt, fallen darunter, jedoch auch Ansätze, bei denen man das Gehirn ähnlich wie bisher schon bei Parkinson-Patienten oder bei Cochlearimplantaten stimulieren will. Hoch im Kurs sind zudem Simulationen des Gehirns im Computer, wie etwa das Leuchtturm-Projekt "Human Brain" vorzeigt: Immer­hin hat es die Ankündigung, das menschliche Gehirn im Computer nachzubilden, in die Endausscheidung im Rennen um die EU-Forschungsmilliarde geschafft.

Die meisten Jubelmeldungen sind jedoch zu hoch angesetzt, kommt Grüter zum Schluss - unisono mit einem aktuellen Bericht der TA Swiss (pressetext berichtete). "Im Nachbau scheiterte man bisher schon beim Ratten­hirn. Pillen, die intelligenter machen, gibt es nicht, sondern bloß Aufmerksamkeits-Förderer wie Ritalin oder Amphitamine, doch auch hier übersteigt die Wirkung nie jene von starkem Kaffee. Falsch sind derartige Ansätze deshalb, da es weder eine 'Intelligenzbremse' im Gehirn gibt, die man bloß beseitigen muss, noch ein einzelnes Intelligenz-Gen."

Grenzen des Messbaren

Vielmehr könnte die künstliche Steigerung der Gehirnfunktion auch Gefahren mitbringen, warnt der Forscher, wobei er Parallelen zur menschlichen Evolution zieht. "Einiges spricht dafür, dass der Mensch erst durch sein größeres Gehirnvolumen für bipolare Störungen und Schizophrenie anfällig wurde. Wird das sorgfältig aus­balancierte Gleichgewicht des Gehirns gestört, könnte sich das Risiko für Geisteskrankheiten erhöhen." Viel eher denkbar sei ein nebenwirkungsfreies Hochschrauben der Gehirnleistung durch ständiges Training wie im Sport.

Vor der Machbarkeit sei jedoch die Grundabsicht der Intelligenzsteigerung zu hinterfragen, betont Grüter. Denn so hoch auch die Intelligenzmessung über PISA-Studien im Kurs steht und immer mehr zum wichtigsten Maßstab für Schulsysteme wird, so beschränkt sei deren Aussagewert. "Erhoben werden hier nur die zählbaren Einzel­posten der Gehirnleistung, die jedoch kaum den späteren Erfolg im Beruf und Leben vorhersagen. Dasselbe gilt auch für die zahlreichen Assessment-Bewerbungstests in Großunternehmen, die gegenüber dem Abiturzeugnis kaum Mehrwert bringen."

Intelligenz kann schaden

Tugenden wie Tapferkeit, Treue, Weisheit und Demut bringen kein Ansehen mehr, während Intelligenz über­mäßig wichtig ist: Das beklagte der Philosoph Hans Magnus Enzesberger 2008 in einem Essay über die Intelligenz. Grüter stimmt ihm zu, denn: "Führungsqualität sowie gesellschaftlich wichtige Werte wie Fleiß, Beharrlichkeit oder Ritterlichkeit werden von IQ-ähnlichen Erhebungen nicht erfasst."

Die zunehmende Versteifung auf die Intelligenz sei deshalb eine Fehlentwicklung, betont der Autor. "Der Menschheit fehlt es eindeutig nicht an Intelligenz, um ihre großen Herausforderungen zu meistern, sondern an Vernunft, Weisheit, Einsicht und Augenmaß. So lange man die Intelligenz nur für den eigenen Vorteil nutzt, ist diese sogar schädlich."


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Montag, 21. November 2011

Türen machen vergesslich

Gehirn löscht beim Verlassen des Raumes Informationen

Türschnalle: Anderer Raum, andere Epispde für das Gehirn
(Foto: Flickr/Zvan)

Indiana/Düsseldorf (pte015/21.11.2011/12:20) - Die Frustration, beim Betreten eines Raumes zu ver­gessen, was man gerade suchen oder tun wollte, kennen viele aus dem Alltag. US-Psychologen liefern nun eine Erklärung für dieses Phänomen. "Türen sind wie Grenzen, die unser Denken in Ereignisse untergliedern. Durchschreitet man sie, trennt unser Gehirn seine Aktivität in Episoden und räumt dabei auch Informationen weg. Deshalb ist es schwieriger, sich in einem anderen Raum zurückzuerinnern", sagt Studienleiter Gabriel Radvansky von der Notre Dame Universität.

Die Forscher stellten ihren Versuchspersonen Er­innerungs­aufgaben, bei denen sie entweder durch eine Tür zu gehen oder dieselbe Strecke im gleichen Raum zurückzulegen sollten. Egal, ob es sich um virtuelle oder reale Räume handelte: Nach dem Durchschreiten der Tür waren die Gedächtnislücken viel größer, berichten die Forscher in der Zeitschrift "Quarterly Journal of Experimental Psychology".

Zurückgehen hilft

Teils lässt sich das Phänomen auch durch "Kontexteffekte" erklären, wie der Düsseldorfer Psychologe Axel Buchner gegenüber pressetext schildert. "Was man im Raum A lernt, kann dort viel besser abgerufen werden als im Raum B. Denn wenn man etwa vor einer Vokabelliste sitzt, merkt sich das Gehirn außer dem zu lernenden Wort auch den Kontext. Die orange Wand, die weiße Decke oder der grüne Bleistift werden zu Hinweisen, ohne denen ein späterer Abruf der Vokabel erschwert ist."

Beim Vergessen im Alltag hilft es oft, in den Originalkontext des Raumes zurückzugehen, in dem der entschwundene Gedanke entstand. Für Tests in der Schule oder im Hörsaal ist das freilich keine Option. "Teilweise reicht es aber auch schon, sich die Umgebung beim Lernen nur vorzustellen", so Buchner. Radvanskys Erkenntnisse gehen allerdings über die bereits länger bekannte Kontextwirkung hinaus: Nicht alle verlorenen Informationen lassen sich bei der Rückkehr in den Ausgangsraum wiederfinden, konnte er nun zeigen.

Abstract des Originalartikels unter http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/21563019


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Dienstag, 11. Oktober 2011

Schlafmangel verändert Verdrahtung des Gehirns

Fehlender Synapsen-Abbau bei Jugendlichen infolge von Wachbleiben

Wach in der Nacht: Schlaf ist die Synapsen-Müllabfuhr
(Foto: Flickr/Miller)

Madison/Leoben (pte004/11.10.2011/06:00) - Wenn Jugendliche zu wenig Schlaf bekommen, kann das langfristige Spuren im Gehirn hinterlassen. Einen Hinweis dafür bei Tieren haben Forscher der University of Wisconsin-Madison in der Zeitschrift "Nature Neuroscience" erbracht. Wie sie zeigen konnten, bringt Schlafmangel bei pubertären Mäusen den Rhythmus aus dem Gleichgewicht, in dem die Verbindungen zwischen den Gehirnzellen entstehen.

Ausgleich durch Schlaf

Die Verbindungen der Nervenzellen im Gehirn verändern sich je nach Tageszeit deutlich, zeigen frühere molekular- und elektrophysiologische Studien: Während die sogenannten Synapsen während der Wachzeit aufgrund der laufenden Lernerfahrungen zahlenmäßig zunehmen, werden sie im Schlaf wieder weniger, weil das Gehirn unnötige Verbindungen wieder auflöst. Im 24-Stunden-Rhythmus bleibt deshalb die Gesamt-Synapsenzahl in etwa gleich.

Gleichzeitig strukturiert sich auch in der Jugend das Gehirn neu, da sich gerade zu dieser Zeit viele neue Synapsen bilden und wieder eliminiert werden. Da Jugendliche oft sehr unregelmäßig schlafen - Chronobiologen bezeichnen das immer spätere Zubettgehen sogar als wesentliches Merkmal der Pubertät (pressetext berichtete: http://pressetext.com/news/20090422016) - wollten die Forscher nun den Effekt von Schlafentzug auf das Gehirn erheben.

Gestörte Verdrahtung

Untersucht wurden jugendliche Mäuse, die ein gelb fluoreszierendes Protein bilden. Das erlaubt es, die Zahl der Synapsen im Gehirn mittels Zwei-Photonen-Mikroskopie am lebenden Tier zu beobachten. Mäuse, die nach zehnstündiger Wachzeit zum Wachbleiben gezwungen werden, bilden im sensomotorischen Cortex weiterhin dendritische Dornen, welche die Synapsen beinhalten. Schlafende Tiere bauen hingegen Dornen ab, zeigte sich.

"Wenn man in der Jugend auf Dauer zu viel Schlaf verliert, könnte das den Ergebnissen zufolge lange anhaltende Folgen für die Verdrahtung des Gehirns haben", so die Studienleiterin Chiara Cirelli. Ob der in der Jugend manchmal auftretende chronische Schlafmangel denselben Effekt habe wie die akute Manipulierung, sei jedoch noch nicht geklärt. "Möglicherweise sind die Veränderungen harmlos, kurzfristig und reversibel - oder sie beeinträchtigen die Gehirnreifung dauerhaft. Wir wissen es noch nicht."

Leistungsfähigkeit und Verhalten

"Langfristige neurologische Bewegungsstörungen durch Schlafmangel in der Jugend sind nicht bekannt. Durchaus tritt aber Schlafmangel gemeinsam mit kognitiven und psychiatrischen Problemen auf", erklärt Reinhold Kerbl, Präsident der Österreichischen Gesellschaft für Schlafmedizin, im pressetext-Interview. Betroffen sind dabei etwa die Lern- und Denkleistung, die Konzentrationsfähigkeit, hormonelle Veränderungen bis hin zum depressiven Verhalten, Aggression und ADH-Störungen.


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Freitag, 7. Oktober 2011

Faires Verhalten startet im Gehirn

Therapeutischer Nutzen für psychiatrische Patienten

Gehirnmasse: Selbstkontrolle will gelernt sein
(Foto: pixelio.de, F. Vogelskamp)

Zürich (pte021/07.10.2011/13:00) - Zivilisiertes Zusammenleben setzt voraus, dass sich Menschen an soziale Normen halten. Die Einhaltung dieser Normen stellen wir mit Sanktionierungen sicher. Häufig geschieht eine solche Bestrafung sogar auf eigene Kosten. Dieses Verhalten widerspricht dem ökonomischen Eigennutz des Bestrafenden und verlangt die Kontrolle egoistischer Impulse, so Forscher der Universitäten Zürich und Basel. "Es geht bei unserer Studie darum, dass wir in vielen Handlungen unseren Eigennutz unterdrücken müssen, um uns sozial und fair zu verhalten", so Thomas Baumgartner von der Universität Zürich gegenüber pressetext.

Dieser Prozess ist etwa zu finden beim Spenden von Geld, aber auch beim Sanktionieren von Normverletzungen. "Stellen sie sich dabei folgende Situation vor: Ein Interaktionspartner schlägt ihnen ein Geschäft vor, womit er und sie viel Geld verdienen könnten. Gleichzeitig würde es aber auch dazu führen, dass Sie damit eine Firma in den Konkurs reißen, wobei viele Arbeitsplätze verloren gingen. Machen sie dabei mit oder nicht?", fragt Baumgartner. Um nicht dabei mitzumachen, und sich sozial verträglich zu verhalten, müsste man in diesem Fall den persönlichen Eigennutzen unterdrücken - "etwas, das in gewissen Wirtschaftszweigen höchstwahrscheinlich zu selten geschieht".

Eigennutz unterdrücken

In der Untersuchung haben die Forscher ein Paradigma verwendet, was dieser Geschäftssituation nahe kommt und haben dabei herausgefunden, dass präfrontale Regionen im Gehirn bei erfolgreicher Selbstkontrolle des Eigennutzens eine sehr gewichtige Rolle spielen. Die neuen Erkenntnisse könnten auch zur therapeutischen Verwendung bei psychiatrischen, forensischen Patienten bedeutend sein. Patienten, die ein stark antisoziales Verhalten zeigen, weisen auch häufig eine reduzierte Aktivität im ventromedialen präfrontalen Kortex auf.

Diese Gehirnregion ist aber für eine nicht-invasive Gehirnstimulation nicht direkt erreichbar, weil sie zu tief im Gehirn verankert ist. Die Resultate der Studie weisen darauf hin, dass die Aktivität dieser Gehirnregion erhöht werden könnte, würde man mittels Gehirnstimulation die Aktivität im dorsolateralen präfrontalen Kortex erhöhen. "Diese indirekt herbeigeführte Erhöhung der Aktivität der frontalen Gehirnregionen könnte dazu beitragen, das prosoziale und faire Verhalten bei solchen Patienten zu verbessern", schlussfolgert die Psychologin Daria Knoch.


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Freitag, 23. September 2011

Computer baut Gehirnbilder nach

Forscher: "Öffnen ein Fenster zu den Filmen in unserem Kopf"

Gehirn: fMRI-Aufnahmen zeigen die Aktivität der Sehrinde
(Foto: Gallant Labs)

Berkeley (pte017/23.09.2011/13:30) - In einem potenziell bahnbrechenden Versuch haben Wissenschafter der Universität Berkeley die Verarbeitung visueller Reize im menschlichen Hirn sichtbar gemacht und ihre Ergebnisse auf Video dokumentiert. Ihr Experiment könnte ein neues Kapitel in der Erforschung des Denkorgans aufschlagen. Berkeley-Neurologe Jack Gallant spricht im Journal "Current Biology" von einem "Meilenstein in der Rekon­struktion innerer Bildverarbeitung."

Per YouTube zum Nachbau

Ein komplexes Verfahren ermöglichte es, erstmals einen plastischen, visuellen Output aus gemessener Hirnaktivität zu extrahieren. Drei Probanden sahen sich über mehrere Stunden Trailer von Kinofilmen an, während ein funktioneller Magnetresonanztomograph (fMRI) den Blutfluss durch die Sehrinde (cortex visualis) analysierte.

Das aufgezeichnete Material wurde dann von einem Computer in dreidimensionale Pixel (Voxel) konvertiert. Gleichzeitig lernte der Rechner, gesehene Farben und Formen bestimmten Aktivitätsmustern zuzuordnen. Schließlich indizierte ein Algorithmus 18 Millionen Sekunden aus zufällig ausgewählten YouTube-Videos und legte auf Basis des Gelernten eine Datenbank an, die Hirntätigkeiten mit verschiedenen Szenen verknüpfte.

Jene 100 Clips, die gemäß Berechnung die ähnlichsten Cortex-Aktivitäten im Vergleich zu den von den Probanden gesehenen Trailern auslösten, wurden schließlich zu einem Video verarbeitet. Dieses wurde den tatsächlich gesehenen Vorschaufilmen gegenübergestellt und zeigt teilweise verblüffende Ähnlichkeiten.

Traum-Aufnahmen denkbar

"Das ist ein bedeutender Schritt zur Rekonstruktion interner Bildabläufe, wie etwa Vorstellungen und Träume", schreibt Gallant auf der Projekthomepage. Gegenüber "Current Biology" spricht er sogar von einem Forschungs-Meilenstein. "Wir öffnen ein Fenster zu den Filmen in unserem Kopf", so die Erläuterung des Wissenschafters zur Bedeutung des geglückten Versuchs.

Die Ergebnisse könnten in Zukunft zu wichtigen Erfindungen führen, etwa die Entwicklung von Lesegeräten, die die Diagnose von Nervenkrankheiten wie Demenz oder Hirnschlägen erleichtern. Auch die Einbindung in neurale Prothesen und die Erschaffung visueller Brain-Machine-Interfaces sind denkbar, so der Text auf der Website.

Der Forscher erklärt weiter: "Neurowissenschafter nehmen allgemein an, dass alle mentalen Prozesse auf einer neurobiologischen Basis ablaufen. Unter dieser Voraussetzung wäre es mit entsprechend entwickelter Technologie prinzipiell möglich, auch Träume oder Erinnerungen sichtbar zu machen."

Nicht zur Aufklärung geeignet

Homepage des Forschungsprojektes: https://sites.google.com/site/gallantlabucb/publications/nishimoto-et-al­-2011


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Dienstag, 20. September 2011

Gähnen kühlt das Gehirn

Studie: Winterluft regt zum Gähnen an

Gähnen: Forscher rätseln noch immer (Foto: FlickrCC/Lobato)

New Jersey/Bern (pte022/20.09.2011/12:15) - Wer gähnt, kühlt sein Gehirn und verhilft ihm damit zu mehr Leistungsfähigkeit. Das behauptet der Evolutionsbiologe Andrew Gallup von der Princeton University in der Zeitschrift "Frontiers in Evolutionary Neuroscience". In Experimenten konnte er zeigen, dass Menschen im Winter viel häufiger gähnen als im Sommer. Seine umstrittene These: Ist die Umgebungsluft zu warm, bewirkt Gähnen keinen Kühleffekt - weshalb wir im Sommer seltener gähnen.

Warum Menschen und auch andere höhere Lebewesen gähnen, ist noch immer ungeklärt. Man weiß heute, dass Gähnen nicht die Sauerstoff-Versorgung des Gehirns verbessern soll, wie lange angenommen wurde - sonst würde ja jede Anstrengung zum Gähnen führen. Auch für den beim Schlucken oder Kauen stattfindenden Druckausgleich hat die charakteristische Kieferbewegung keine Bedeutung. Dass sie aufgrund seiner hochgradigen Ansteckbarkeit soziale Funktionen hat, gilt hingegen als unbestritten.

Temperatur-Check im Oberstübchen

Diesen Nachahmer-Effekt machte sich Gallup in seinen Versuchen zunutze. Er zeigte 160 Menschen im Winter und im Sommer in der freien Luft Gähn-Bilder und überprüfte die Reaktion. In der kalten Jahreszeit waren mehr als doppelt so viele Gähner zu beobachten wie in der Hitze, auch nach Berücksichtigung möglicher Störfaktoren wie Luftfeuchte, der im Freien verbrachten Zeit oder der Schlafdauer in der Nacht zuvor.

Viel eher als Gelangweiltsein oder Schlafenwollen signalisiert Gähnen somit Wärmeaustausch, glaubt Gallup. Seine Gehirnkühl-These verfolgt der Wissenschaftler schon seit 2007 (pressetext berichtete). Damals zeigte er, dass Nasenatmung, der Aufenthalt in kühlen Räumen oder eine Kühlung per Kühlpäckchen an der Stirn das Gähnen unterdrücken. Bei Ratten konnte er zudem nach dem Gähnen eine Normalisierung von kurz zuvor angestiegener Hirntemperatur feststellen.

Wichtiges Kommunikationsmittel

Konsensfähig dürfte Gallups These allerdings noch kaum sein. Schweizer Forscher um Adrian Guggisberg argumentieren, dass Kühlung der Stirn erfrischt und schon deshalb Müdigkeit und Gähnen vertreibt, zudem kühlt die Nasenatmung das Gehirn weit effektiver als das Gähnen.

"Am ehesten scheint Gähnen eine Form der Kommunikation zu sein, die etwa Tierrudeln hilft, das Einschlafen zu synchronisieren", so der Neurologe Johannes Mathis vom Inselspital Bern gegenüber pressetext. Die Gähn-Erforschung sei zwar klinisch nur wenig relevant, wissenschaftlich jedoch genauso spannend wie andere ungeklärte Reflexe wie Schluckauf oder das Niesen, erklärt der Experte.


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Montag, 19. September 2011

Tinnitus: Bisherige Therapie in Frage gestellt

Theorie "Phantomschmerz im Gehör" bestätigt sich

Tinnitus: Phantomhören belästigt viele (Foto: FlickrCC/McFarland)

Berkeley/Regensburg (pte024/19.09.2011/13:35) - Das Ohrenleiden Tinnitus ist meist Folge einer Hörstörung und entspricht in seinem Mechanismus dem Phantomschmerz nach einer Amputation. Belege für diese Annahme liefern Forscher University of California in Berkeley in der Zeitschrift "PNAS". Ihre Ergebnisse stellen einige der heutigen Therapieansätze für Tinnitus in Frage. Bestimmte Gehirnveränderungen nach einem Gehörverlust sollte man besser unterstützen statt verhindern, so das Team um Shaowen Bao.

Gleicher Effekt wie nach Amputation

Allein in Deutschland hören drei Mio. Menschen ein ständiges Pfeifen, Klingeln oder Summen, das für andere nicht wahrnehmbar ist - auch als "Tinnitus" bezeichnet. Wie dieses Leiden zustande kommt, konnten die US-Forscher in Rattenversuchen zeigen. "Die Forschung liefert viele neue Erkenntnisse zu Tinnitus sowie auch Anregungen für neuartige Therapien. Für deren Umsetzung ist jedoch noch viel Geduld nötig", kommentiert Berthold Langguth, Leiter des Tinnituszentrums Regensburg, im pressetext-Interview die Ergebnisse.

Der Verursacher von Tinnitus ist meist eine Hörstörung, etwa infolge lauter Geräusche. Im Innenohr werden dabei Haarzellen zerstört, die zuvor jeweils Signale bestimmter Frequenzen an die Hörregion in der Großhirnrinde übermittelt haben. Kommt kein Input mehr aus dem Ohr, nimmt die Hemmung der nun unterbeschäftigten Neuronen ab. Sie werden übererregbar und feuern spontane Impulse ab, die als Tinnitus-Geräusche wahrgenommen werden.

Den Forschern zufolge beruhen diese Veränderungen auf der Tendenz des Gehirns, die Aktivitätsrate im System konstant zu halten. "Tinnitus gleicht in dieser Hinsicht dem Phantomglied-Schmerz, den viele Amputierte empfinden", so Bao.

Umstrukturierung ist Vorteil

Doch Amputationen lassen das Gehirn nicht untätig. Fehlt etwa ein Finger, so übernehmen teils Regionen, die für dessen Input zuständig waren, Funktionen der Nachbarfinger. Ähnlich wird auch bei Tinnitus die Hörregion umstrukturiert und der Bereich für die Wahrnehmung niederer Frequenzen dehnt sich aus auf Regionen, in denen verlorene hohe Frequenzen verarbeitet wurden. Veränderungen, die man bisher als eine Ursache für Tinnitus hielt und rückgängig zu machen suchte, erklärt Langguth. "Die neuen Ergebnisse lassen allerdings schließen, dass sie ein sinnvoller Versuch des Gehirns sein könnten, Tinnitus zu bekämpfen."

Bestätigt sich diese Ansicht in weiteren Studien, werde man für künftige Tinnitus-Therapien gezielt diese Umstrukturierung im Gehirn trainieren, so Langguth. Studienleiter Bao schlägt noch andere Alternativen vor: Künftig könnten auch Medikamente das spontane Abfeuern der Neuronen in der Hörregion unterbinden. Die sonst für diese Hemmung zuständigen Neuronen sind bei Tinnitus geschwächt, zeigten die Versuche. Um sie in der klinischen Praxis gezielt ansprechen zu können, müssen jedoch erst nicht-toxische Wirkstoffe gefunden werden.

Abstract der Studie unter http://www.pnas.org/content/108/36/14974.abstract?sid=1ff83fff-f34a-4cb3-b09c-37da445f6da6


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Donnerstag, 15. September 2011

Musiker hören um 20 Jahre besser

Schutz vor schwindendem Gehör im Alter

E-Gitarre: Musiker schützen ihr Ohr vor Alterung
(Foto: pixelio.de/Meißner)

Toronto/Hannover (pte004/15.09.2011/06:05) - Wer selbst Musik macht, erspart sich später Gehör­probleme. Das behaupten kanadische Forscher in der Zeitschrift "Psychology and Ageing". "Musiker hören im Alter besser als Nicht-Musiker. Scheinbar ver­schlechtert sich bei ihnen die zentrale auditive Verarbeitung im Gehirn langsamer. Das Motto 'Use it or lose it' gilt auch hier", so Studienautor Benjamin Rich Zendel vom Baycrest's Rotman Research Institute.

Gehör gleich, Verarbeitung besser

Die Forscher untersuchten 74 Menschen, die in ihrem Leben mindestens sechs Jahre lang Musikunterricht genommen hatten, sowie zur Vergleich auch 89 Menschen, die nie ein Instrument gespielt hatten. Vier verschiedene Hörtests galt es zu durchlaufen, wobei leise Töne wahrgenommen, Lücken in Tonabfolgen und Beziehung von Tonfrequenzen erkannt oder Sprache bei Geräuschen im Hintergrund verstanden werden sollten.

Bei der vom Ohr abhängenden Geräuschwahrnehmung zeigten sich keine Unterschiede. Enormen Vorsprung hatten die Musiker jedoch bei den anderen Aufgaben, die alle auf die Geräuschverarbeitung im Gehirn zurückgehen. Die Unterscheidung der Sprache von anderen Geräuschen - das im Alter immer größere "Cocktailparty-Problem" - gelang etwa den 70-Jährigen Musikern so gut wie den 50-jährigen Nicht-Musikern.

Effekt ab Kindesalter

Ähnliches konnte vor einigen Jahren auch die US-Gehirnforscherin Nina Kraus bei Kindern zeigen. Musik verbessert schon bei den Jüngsten die Fähigkeit zur auditiven Musteranalyse. "Musizierende Kinder sind weit eher in der Lage, sinnhafte von sinnlosen Mustern zu unterscheiden und somit Sprachreize von Rauschen zu trennen", erklärt Eckart Altenmüller, Direktor des Instituts für Musikphysiologie und Musikermedizin der Hochschule für Musik und Theater Hannover, gegenüber pressetext.

Musik ist aus mehrerer Hinsicht eine ideale Gehirnschulung. Professionelle Musiker erreichen das Optimum an Feinmotorik (pressetext berichtete), zudem steigert Musik auch das räumlich-visuelle Gedächtnis, die Fähigkeit für Objektbezeichnungen oder die Anpassungsfähigkeit an neue Informationen (pressetext berichtete). Für die Therapie nutzbar, spricht Musik sonst unerreichbare Gehirnareale an und beeinflusst den Hormonhaushalt.

Zweifel am Hörschaden

Es gibt aber auch die gegenteilige Ansicht, dass laute Musik Hörschäden auslöst. In der Forschung wird dies zunehmend angezweifelt, berichtet Altenmüller. "Es stimmt, dass Rockmusiker im Alter eher Probleme beim Hören von Hochfrequenzen haben. Dennoch sind frühere Prognosen, dass wir durch die Kopfhörer zu einer Nation der Schwerhörigen werden, nicht eingetreten. Neue Erkenntnisse legen nahe, dass eine positive emotionale Bewertung lauter Geräusche das Gehirn vor Schäden schützt", so der Musikermediziner.


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Mittwoch, 7. September 2011

Betrunkenen sind Fehler egal

Verlust der Selbstkontrolle erklärt peinliche Rauschexzesse

Alkoholika: Verheerend für die Selbstkontrolle
(Foto: pixelio.de/Altmann)

Columbia/Wien (pte014/07.09.2011/12:20) - Alkohol macht nicht blind für Fehler, wie Forscher bisher angenommen haben. Vielmehr verringert das Gift mit zunehmender Dosis die Bedenken, die sich eine Person über den Fehler macht. Das erklärt auch die haarsträubenden Dummheiten in Folge von Alkohol, die Menschen nüchtern nie begehen würden, berichten Forscher der University of Missouri auf der Plattform "PsychCentral".

"Wenn Menschen Fehler machen, wird das Gehirn in einer Region aktiv, mit der es das Verhalten wahrnimmt. Dabei wird ein Alarmsignal an andere Teile des Gehirns gesandt, das anzeigt, dass etwas falsch gelaufen ist", erklärt Studienleiter Bruce Bartholow. Dass Alkohol dieses Alarmsignal verringert, war schon bisher bekannt. Gezeigt wurde nun, dass Betrunkene durchaus eigene Fehler wahrnehmen können. Was sich bei ihnen ändert, ist die Reaktion darauf.

Kein Übersehen der Fehler

Die US-Forscher stellten dazu 67 erwachsenen Versuchspersonen Aufgaben am Computer, die diese schnell und ohne Fehler erledigen sollten. Teils bekamen die Probanden zuvor ein alkoholisches Getränk, teils gingen sie nüchtern oder mit einem Placebogetränk an die Arbeit. Alkohol-Trinker zeigten ein deutlich schwächer ausgeprägtes Alarmsignal nach Fehlern, obwohl sie diese genauso treffsicher registrierten wie die anderen Studienteilnehmer. Ein Übersehen eigener Fehler aufgrund des Alkohols schlossen die Forscher somit aus.

Große Unterschiede gab es jedoch in der Reaktion auf die Fehler. Nüchterne Testpersonen gingen die weiteren Aufgaben eine Stufe langsamer und somit auch vorsichtiger an, um dadurch wieder Selbstkontrolle zurückzugewinnen. Bei der Alkohol-Gruppe war das kaum der Fall. Auch die infolge des Alkohols gehobene Stimmungslage, die in einer Befragung überprüft wurde, trug dazu bei.

Bewusstsein weggeschaltet

"Alkohol verschlechtert sehr wohl die Wahrnehmung, da er etwa die Augenbewegungen und auch die Informationsverarbeitung verlangsamt. Zugleich sorgt er dafür, dass das Gehirn primitiver reagiert und weniger vom im Frontalhirn verorteten Bewusstsein kontrolliert wird", erklärt der Psychiater Zoghlami Ali vom Anton-Proksch-Institut im pressetext-Interview. Bei Alkoholkranken kann man feststellen, dass die chronische Vergiftung zu einem Schrumpfen des Gehirns gerade in dieser Frontalregion führt.


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Freitag, 2. September 2011

Wissenschafter lesen Gedanken

Analyseverfahren übersetzt Hirnaktivität in Worte

Hirn: Scan der Aktivität verrät Inhalt von Gedanken
(Foto: FlickrCC/Liz Henry)

Princeton, New Jersey (pte001/02.09.2011/06:00) - Eine Studie der Princeton University zeigt, dass der Abgleich von Aktivitätsmustern des Gehirns mit Worten dazu beitragen kann, die Arbeitsweise des menschlichen Denkorgans besser zu verstehen. Dabei wollen die Neuro­wissen­schafter herausfinden, welche physiologischen Vorgänge sich abspielen, wenn ein Mensch sich geistig mit abstrakten oder komplexen Dingen befasst. Dazu kam ein funktioneller Magnetresonanztomograph zum Einsatz. Ein Computerprogramm analysierte tausende Wikipedia-Einträge.

Prinzipumkehr

Die Forscher ließen ihre Probanden an bestimmte Gegenstände denken und beobachteten dabei die Aktivität ihres Hirns und seiner verschiedenen Regionen. Sie entwarfen dazu jeweils eine Liste von Worten, die mit dem jeweiligen Ding in Zusammenhang stehen und glichen die Scanergebnisse ab. So gelangten sie zur Erkenntnis, dass die Denkmuster des Hirns bei verwandten Begriffen - etwa "Möbel" und "Esstisch", "Schreibtisch" und "Stuhl" - ähnlich sind.

Schließlich versuchten sie anhand ihrer Auswertungen auf umgekehrtem Wege die Gedanken der Testkandidaten anhand der gemessenen Hirnaktivität zu erraten. Ergab sich ein Scanmuster, dass etwa dem Wort "Tisch" entsprach, so konnten die Wissenschafter sagen, dass die Versuchsperson gerade an Möbel dachte.

Vollständige Übersetzung als Ziel

Ausgehend von den Scan-Ergebnissen einer Wortassoziations-Studie aus dem Jahre 2008, die sich auf jeweils fünf Begriffe in zwölf Kategorien beschränkte, kam das Team schließlich auf die Idee, eine Software 3.500 Wikipedia-Artikel über verschiedene Gegenstände auf ihre wichtigsten Worte zu reduzieren und jeweils 40 verwandte Themen zu finden.

Daran richteten sie ihre weiteren Scans aus und konnten schließlich sehr erfolgreich feststellen, in welchem Themenbereich sich die Gedanken der Probanden bewegten. Spezifische Objekte zu erraten, erwies sich jedoch als wesentlich schwieriger. Man möchte in Zukunft die Aktivitätsmuster des menschlichen Gehirns komplett in Worte übersetzen können, um die vollständige Beschreibung von Gedanken zu ermöglichen.

Chance für Behinderte

"Egal an was eine Person denkt und egal ob es sich dabei um Themen, Konzepte, Emotionen, Pläne oder soziale Gedanken handelt - es spiegelt sich alles in der Arbeit des Gehirns in all seinen Arealen wieder", erläutert der leitende Forscher Matthew Botvinick vom neurowissenschaftlichen Institut der Universität Princeton.

Der Forschungsansatz könnte zukünftig bei der Unterstützung von Schwerbehinderten zur Anwendung kommen. Ihnen könnten Gehirnscans helfen, ihre Gedanken präziser auszudrücken und sich für ihre Umwelt verständlicher zu machen.

Das Paper zur Forschungsarbeit (in englischer Sprache)


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Mittwoch, 31. August 2011

Studenten sind schlechte Schläfer

Studienleistung leidet an schlechten Schlafgewohnheiten

Schläfer im Hörsaal: Mehr Schlafkultur erhöht Leistung
(Foto: FlickrCC/Donovan)

Cincinnati/Tucson/Basel (pte027/31.08.2011/13:57) - Studenten schlafen zu wenig und schaden damit ihrem Studienerfolg. Wie zwei US-Studien deutlich machen, schläft die Mehrzahl dieser Gruppe weniger als sieben Stunden und leidet in Folge tagsüber unter fehlender Aufmerksamkeit, Konzentration und Erinnerung. Zeigen lässt sich auch ein leichter Zusammenhang von schlechtem Schlaf und schlechterem Abschneiden bei Prüfungen. Das Bewusstsein dafür ist jedoch unter Studenten noch wenig verbreitet.

Optimum nicht erreicht

Bei Studienanfängern ist das Problem besonders häufig anzutreffen, berichtet Adam Knowlden von der University of Cincinnati. Aufgrund von fehlendem Zeit- und Stressmanagement, manche jedoch auch wegen finanzieller Notwendigkeiten, haben Studenten oft keine gute Schlafkultur. "Das Gehirn ordnet im Schlaf das Gedächtnis, verstärkt dessen Verknüpfungen und entsorgt Unnötiges. Fehlt der Schlaf, wird das alles beeinträchtigt, weshalb Studenten oft nicht das Optimum aus ihrem Studium herausholen", so Knowlden.

Kathryn Orzech von der University of Arizona nennt im "Journal of American College Health" auch die Zimmerkollegen, die Aktivitäten mit Freunden, den akademischem Stress, Konflikte und Depressionen als weitere Ursachen von zu wenig Schlaf bei Studenten. Laut ihren Ergebnissen schlafen Studenten durchschnittlich von 0:40 Uhr bis acht Uhr morgens, brauchen jedoch lange zum Einschlafen und wachen öfters auf. Viele halten zudem ihren Schlaf für besser als dieser tatsächlich ist.

Aufstehen nach Mittag

Das junge Erwachsenenalter ist für den Schlaf eine Umbruchszeit, betont der Basler Schlafforscher Christian Cajochen im pressetext-Interview. "Die Schlafgewohnheiten ändern sich in dieser Zeit. Die meisten wandeln sich vom Spät- zum Frühtyp. Schlafprobleme wie etwa eine Einschlafdauer von länger als 15 Minuten sind in dieser Lebensphase jedoch untypisch."

Unter Studenten lassen sich die unterschiedlichsten Schlafmuster finden, so der Chronobiologe. Teils stehen diese auch mit dem Studienfach in Zusammenhang. "Etwa bei Medizinstudenten hat man ein erhöhtes Risiko für zu wenig Schlaf und Depressionen festgestellt. Nur manche können es sich leisten, das Klischee eines Studenten zu erfüllen, der nur in den Morgenstunden im Bett zu finden ist."

Wissenschaftlich dokumentiert ist der Fall eines Oxforder Literaturstudenten, der jeweils von vier Uhr morgens bis zwei Uhr nachmittags schlief. "Probleme haben Betroffene meist dann, sobald sie in einen Job mit festen Arbeitszeiten wechseln. Das Einschlafen am Abend gelingt dann zwar mühelos, die Einsatzbereitschaft am Morgen jedoch nicht, zudem sind viele notorisch verspätet", berichtet Cajochen.

Regeln für besseren Schlaf

Den Studenten raten die US-Forscher mehr Schlafhygiene. Dazu gehört ein Verzicht auf Koffein, Alkohol und Nikotin vor dem Schlafengehen sowie auch auf Intensivsport, Social Networking und Computerspiele. Ungünstig sind auch das Lernen, Lesen, Essen oder Fernsehen im Bett sowie Mittagsschläfchen, die länger als 15 Minuten dauern. Positiv wirken hingegen feste Bettgeh- und Aufstehzeiten, eine gute Schlafumgebung, Stressabbau und Entspannung vor dem Einschlafen sowie die ausreichende Vorbereitung für den nächsten Tag.


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Donnerstag, 18. August 2011

Prozessor imitiert Gehirn

Neuentwicklung von IBM soll Paradigmenwechsel einleiten

Prozessor: IBM-Neuentwicklung arbeitet wie ein Gehirn
(Foto: IBM)

Armonk, New York (pte019/18.08.2011/11:55) - IBM hat die erste Generation eines Computerprozessors vorgestellt, der wie ein Gehirn arbeitet. Aktuell verfügt der Chip über die Fähigkeiten zur Mustererkennung, Bildverarbeitung, Klassifikation und assoziativen Speicherung. Zukünftig soll er mit Sinneserfassung ausge­stattet werden und in verschiedenen Bereichen einsetzbar sein - von der Finanzmarktanalyse bis zur Frischekontrolle im Supermarkt. Die neue Architektur merzt dabei auch Probleme der klassischen von-Neumann-Bauweise aus, die den Prozessorenentwicklern zunehmend zu schaffen machen.

Klein und sparsam

"Es ist der erste kognitive Prozessorkern, der das Rechnen über Neuronen, Speicher in der Form von Synapsen und Kommunikation über Axome vereint", sagt Entwicklungsleiter Dharmendra Modha gegenüber CNET. Geforscht wird im Rahmen des "Systems of Neuromorphic Adaptive Plastic Scalable Electronics" (SyNAPSE) der Defense Advanced Research Projects Agency (DARPA).

Ziel ist es, ein System zu schaffen, welches nicht nur komplexe Informationen über verschiedene Sensoren erfassen und analysieren kann, sondern sich selbst über die Interaktion mit der Umwelt immer wieder neu programmiert. Dabei gilt es, das System - vergleichbar einem organischen Gehirn - möglichst kompakt und energieeffizient zu gestalten.

Vielseitige Rechenmeister

Ausgestattet ist der Erstling mit 256 Neuronen, 262.144 programmierbaren Synapsen und 65.536 Schaltstellen für Lernprozesse. Alle Komponenten sind non-organisch, lehnen sich aber in ihrer Bauweise stark am Vorbild aus der Natur an. Angestrebt wird die Entwicklung eines Prozessors mit der Kapazität eines Säugetierhirns, dessen Strukur jedoch um mehr als das Millionenfache komplexer ist. An der Forschung beteiligen sich neben sechs Labors von IBM auch fünf Universitäten.

Modha kann sich zukünftig verschiedenste Anwendungsbereiche für die intelligenten Chips vorstellen. So wären damit theoretisch extrem präzise Finanzmarktanalysen möglich als auch die Überwachung der weltweiten Wasserbewegungen, inklusive rechtzeitiger Warnungen vor Tsunamis. Im Alltag könnten die Chips den Angestellten von Supermärkten behilflich sein, Ware auszusortieren, die schlecht geworden ist.

Dies ist möglich, weil sie mit der Fähigkeit zu Sinnesempfindungen ausgestattet werden können, so der Wissenschafter. Während sie visuelle, geruchliche und haptische Inputs verarbeiten, sind sie in der Lage, in verschiedenen Betriebsmodi auf einmal zu arbeiten und bei einer geringen Größe mit weniger als 20 Watt an Energiezufuhr auskommen. Wann erste kommerzielle Anwendungen für die neuen Chips verfügbar sind, steht noch in den Sternen.

Paradigmenwechsel

Modha hofft, ein neues Paradigma im Bereich des Computerwesens einführen zu können. Zwar sieht man bei IBM das neue Design als Ergänzung zur herkömmlichen Computertechnik, jedoch umgeht das Prozessorsystem Probleme der seit Jahrzehnten gängigen Rechnerbauweise - auch bekannt als von-Neumann- oder Princeton-Architektur. Diese ist aufgrund ihres streng sequenziellen Verfahrens zwar kaum fehleranfällig und programmiertechnisch vorteilhaft, lässt aber nur einzelne, aufeinanderfolgende Befehlsabarbeitung zu.

Zusätzlich muss die Verbindung (Bus) zwischen CPU und Speicher sowohl den Daten- als auch den Befehlsfluss bewältigen, und wird damit immer mehr zum Flaschenhals. Dieser wirkt sich unter anderem negativ auf die Entwicklung schnellerer Speichermodule aus, deren Latenzzeiten nicht mit dem Voranschreiten der Prozessor-Taktfrequenzen mithalten können, schreibt der Chiphersteller Intel in einem Whitepaper aus dem Jahre 2005.

Von diesem Umstand soll die neue Technologie nicht betroffen sein, da sie den Speicher in den Prozessor integriert und ereignisbasierte, dezentrale und parallele Verarbeitung von Inputs beherrscht.

Intel-Whitepaper "Platform 2015 Documentation"


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Dienstag, 9. August 2011

Freiraum lässt Schüler besser lernen

Selbständiges Arbeiten funktioniert auch bei Schwächeren

Lernmaterial: Mehr Selbstständigkeit förderlich
(Foto: pixelio.de, D. Schütz)

München (pte017/09.08.2011/12:15) - Auch schwache Schüler können selbständig Lösungsstrategien erarbeiten, sofern man sie eigenständig lernen lässt. Das haben Bildungswissenschaftler der TU München ermittelt. "Ich glaube, dass sich Lehrer trauen müssen, ihre Schüler zu Eigenständigkeit zu motivieren", erklärt Studienleiterin Kristina Reiss im pressetext-Gespräch. Selbstständiges Lernen gilt seit Jahren als Zauberformel für erfolgreichen Unterricht. Erforscht wurde diese Annahme bislang jedoch wenig.

Nachhaltiger Lerneffekt

Etwa 1.600 Gymnasiasten der Jahrgangsstufe acht wurden in verschiedenen Bundesländern unter die Lupe genommen. Die Schüler bekamen ein Arbeitspaket mit geometrischen Aufgaben, die sie auf dem Papier und am Computer während vier Schulstunden lösen sollten. Sie arbeiteten paarweise zusammen, die Lehrer hielten sich in dieser Zeit zurück, standen aber für Nachfragen bereit. Die Achtklässler haben einen deutlichen Lernfortschritt erreicht, berichten die Forscher. "Sie haben gelernt, Mathematik besser zu nutzen", so Reiss. Das Wissen konnten sie auch in einem weiteren Test drei Monate später noch abrufen. Die Bildungsforscher wollten wissen, welcher Grad an Selbstregulierung sinnvoll ist.

Zauberformel selbstreguliertes Lernen

Eine Gruppe der Achtklässler bearbeitete die Aufgaben in einer festgelegten Reihenfolge, die Schwierigkeit erhöhte sich von Schritt zu Schritt. Die andere Gruppe konnte aus dem Material frei wählen. Dieser größere Freiraum steigerte den Lernerfolg aber nicht weiter. Was die Wissenschaftler dabei am meisten überraschte: "Wir hatten erwartet, dass die in Mathematik schwächeren Schüler mehr profitieren, wenn sie stärker durch die Einheit geführt werden", unterstreicht Reiss gegenüber pressetext.

"Einen signifikanten Unterschied zwischen ihnen und den stärkeren haben wir aber nicht festgestellt." Auch schnitten Jungen und Mädchen gleich gut ab. Die Forscher wissen nun, dass sich Schüler auch sehr komplexe Themen mit ihrem individuellen Tempo eigenständig aneignen können. "Obwohl sie oft propagiert werden, sind solche längeren Phasen selbstregulierten Lernens in den Schulen noch nicht alltäglich. Sie sind aber eine wichtige Option für die Lehrer, denn wechselnde Unterrichtsformen halten den Unterricht lebendig."


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Mittwoch, 3. August 2011

Gedankensteuerung verhindert Verkehrsunfälle

Bremsweg lässt sich bei 100 km/h um eine Autolänge verkürzen

Testlauf am Simulator: Die Gedankensteuerung in Aktion
(Foto: BBCI/Haufe)

Berlin (pte026/03.08.2011/13:45) - Wenn es um die Verhinderung eines Verkehrsunfalls geht, ist eine schnelle Reaktionszeit des Autolenkers unumgänglich. Um die Sicherheit auf den Straßen zu verbessern, haben Forscher der Technischen Universität Berlin nun ein völlig neuartiges System entwickelt und erprobt, das den Bremsbefehl direkt aus dem menschlichen Gehirn auslesen kann. Das Ergebnis beeindruckt: Mit­hilfe der Hirnstrommessung kann der Brems­vorgang schon 130 Millisekunden früher eingeleitet werden als mit der herkömmlichen Fußbremsung. Je nach Ge­schwindigkeit verringert sich der Bremsweg auf diese Weise um mehrere Meter.

"Die Technologie der Notfall-Bremsunterstützung hat das Potenzial, eine sehr große Zahl von Verkehrsunfällen zu verhindern", heißt es in der entsprechenden Projektbeschreibung, die Stefan Haufe und sein Team von der TU Berlin in der aktuellen Ausgabe des Fachmagazins "Journal of Neural Engineering" veröffentlicht haben. "Zum ersten Mal greifen wir damit die Intention des Fahrers direkt am Ort und zu der Zeit seiner Entstehung ab: Im menschlichen Gehirn", so die Forscher. Bisher sei das Auslesen gezielter Befehle in einer realistischen Fahr­situation aufgrund der Komplexität der Vorgänge im Gehirn der Fahrer kaum möglich gewesen.

Erfolgreiche Versuchsreihe

Dass die entwickelte Technologie in der Praxis tatsächlich die Fahrsicherheit erhöhen kann, haben die Forscher mit einer speziellen Versuchsreihe bewiesen. Dabei mussten insgesamt 18 Probanden in einer Computer­simulation ein Fahrzeug steuern. Ihr Ziel war es, einem voranfahrenden Auto, das in zufälligen Zeitabständen Bremsungen durchführte, in etwa gleichbleibender Entfernung zu folgen. Um einen Zusammenstoß zu ver­hindern, mussten die Lenker blitzschnell reagieren.

Mittels Elektronenzephalogramm (EEG) und Elektromyografie (EMG) konnten die Wissenschaftler dabei jene Signale im Gehirn der Testpersonen ermitteln, die mit der Bremsabsicht verknüpft sind. Genau diese Muster wurden dann in weiteren Folgeversuchen dazu genutzt, um eine Bremsung im Simulator auszulösen. Hierbei stellte sich heraus, dass sich durch die "Kopfbremsung" der Bremsweg bei einer Geschwindigkeit von 100 Kilometern pro Stunde um 3,66 Meter verringern lässt, was in etwa einer vollen Wagenlänge entspricht.

"Noch nicht praxistauglich"

Bis die von Haufe und seinem Team entwickelte Technologie die Marktreife erreicht hat, wird aber wohl noch einiges an Zeit vergehen. "Derzeit ist diese Technologie noch nicht praxistauglich", betont Haufe auf Nachfrage von pressetext. "Unsere Studie fand unter Laborbedingungen statt. Da realer Straßenverkehr viel komplexere Situationen beinhaltet, müssen wir zunächst untersuchen, ob unser System robust dagegen ist", so Haufe. Zudem müssten auch die verwendeten Sensoren einfacher und die Datenauswertung und -umwandlung schneller und günstiger werden.


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Mittwoch, 27. Juli 2011

Warum wir im Alter vergesslich werden

Forscher finden Ursache für Erinnerungsverluste - und ein mögliches Gegenmittel

Die US-Forscher konnten feststellen, dass Neuronen im Alter
während eines Erinnerungsvorgangs langsamer feuerten.
Nun hoffen sie darauf, dass Altersvergesslichkeit in Zukunft
einmal rückgängig gemacht werden könnte.

London/Wien - Zugegeben, der Kalauer ist auch nicht mehr ganz jung: "Das Alter hat zwei Nachteile", sagt der rüstige Senior: "Der erste ist das Nachlassen des Gedächtnisses. Und den zweiten habe ich vergessen." Forscher der Universität Yale in den USA haben nun herausgefunden, woran es liegt, dass im Laufe unseres Lebens die Erinnerungsfähigkeit immer stärker schwindet. Und sie bereiten klinische Tests eines Wirkstoffs vor, der die Altersvergesslichkeit rückgängig machen könnte.

Gebremstes Signlafeuer bei älteren Gehirnen

Bekannt ist, dass ältere Gehirne schwächere Ver­bindungen in ihren Nervenbahnen haben und ihre Nervenzellen (Neuronen) weniger oft Signale abfeuern. Dadurch vergessen ältere Menschen eher Dinge als jüngere. Neurowissenschafter und Psychologen um Amy Arnsten sind nun dem zellulären Mechanismus in Versuchen mit Affen verschiedenen Alters auf den Grund gegangen.

Im Zentrum des Interesses stand dabei der präfrontale Cortex, also der vordere Bereich der Großhirnrinde, der für ein funktionierendes Gedächtnis hauptverantwortlich ist. Dieser "Arbeitsspeicher" hilft aber nicht nur, sich an Dinge des alltäglichen Lebens zu erinnern. Er ist auch für abstraktes Denken, für Multitasking oder das Unterdrücken von unangebrachten Gedanken zuständig.

Dieser Speicher muss jedoch ständig aktualisiert werden, weshalb die Neuronen ständig feuern, um Informationen "frisch" zu halten. Wie die Forscher im britischen Wissenschaftsmagazin Nature (online) berichten, ist bei älteren Versuchstieren dieses Signalfeuer jedoch erheblich gebremst. Der Grund dafür: Im präfrontalen Cortex sammeln sich bei älteren Gehirnen sogenannte cAMP-Moleküle an. Diese Signalmoleküle schwächen das Neuronenfeuer, indem sie Kanäle in den Wänden von Nervenzellen öffnen, durch die die Ionen, also elektrisch geladene Teilchen, dringen.

Quelle: YouTube, Video "How Memory is Lost - and Found"

In weiteren Testreihen schufen die Forscher für die älteren Nervenzellen ein neurochemisches Umfeld, das jugendlichen Gehirnen ähnelte - und siehe da: Das Feuern der Neuronen nahm wieder zu. Zur Wiederher­stellung dienten Substanzen, die cAMP-Moleküle unterdrückten oder die Ionenkanäle blockierten.

Eine davon war der Wirkstoff Guanfacine, der bereits für Bluthochdruck bei Erwachsenen und Aufmerksam­keitsdefizit bei Kindern zugelassen ist. Klinische Tests mit älteren Versuchspersonen, die weder an Alzheimer noch anderen Demenzen leiden, sind bereits in Vorbereitung.


Dieser Artikel wurde von Der Standard (Printausgabe 28.07.2011) veröffentlicht und ist unter http://derstandard.at/1310512312326/Gehirnforschung-Warum-wir-im-Alter-vergesslich-werden abrufbar.

Dienstag, 26. Juli 2011

Schlafunterbrechnung beeinträchtigt Gedächtnis

Forschungsergebnisse erklären Erinnerungsprobleme bei Alzheimer

Maus: Ruhiger Schlaf fehlte
(Foto: aboutpixel.de/Rosita Sellmann)

Stanford (pte010/26.07.2011/11:05) - Immer wieder unterbrochener Schlaf beinträchtigt die Fähigkeit Erinnerungen aufzubauen. Zu diesem Ergebnis ist eine Studie der Stanford University gekommen, die mit Mäusen durchgeführt wurde. Die in den The Pro­ceedings of the National Academy of Science ver­öffent­lichten Studienergebnisse könnten helfen, Ge­dächtnis­probleme bei Krankheiten wie Alzheimer oder Schlaf-Apnoe zu erklären. Das Team um Luis de Lecea wies nach, dass Schlaf­unter­brechungen es den Tieren erschwerten, bereits bekannte Objekte wieder zu erkennen. Der britische Schlafexperte Neil Stanley von der erklärte laut BBC, dass der Tiefschlaf dem Gehirn ermögliche, die Ereignisse eines Tages zu bewerten und zu entscheiden, an was man sich erinnern wird.

Für die aktuelle Studie wurde Schlaf untersucht, der unterbrochen war, aber nicht kürzer oder weniger intensiv als bei Mäusen normal. Mit den Verfahren der Optogenetik wurden bestimmte Gene gentechnisch verändert, sodass sie durch Licht kontrolliert werden konnten. Sie zielten auf eine Art von Gehirnzellen ab, die eine Rolle beim Wechsel zwischen Schlafen und Wachsein spielen. Die Wissenschaftler sandten während sie schliefen Lichtimpulse direkt in die Gehirne der Mäuse.

Kein ruhiger Schlaf

Das bedeutete, dass der Schlaf der Tiere unterbrochen werden konnte, ohne die Dauer des Schlafes, Zusammensetzung oder Qualität des Schlafes zu beeinflussen. Anschließend wurden die Tiere in einer Schachtel mit zwei Objekten platziert, von denen sie eines bereits kannten. Mäuse würden normalerweise mehr Zeit mit der Untersuchung von neuen Objekten verbringen. Jene Tiere, deren Schlaf nicht gestört wurde, taten genau das. Jene Mäuse, die nicht in Ruhe geschlafen hatten, waren an beiden Objekten gleich stark interessiert.

Das Team um de Lecea betont, dass ein kontinuierlicher Schlaf einer der Faktoren ist, die bei verschiedenen Krankheiten beeinträchtig sind, die das Gedächtnis beeinflussen. Dazu gehören Alzheimer und andere altersbedingte Kognitionsdefizite. Betroffen sind auch Alkoholiker oder Menschen, die an Schlaf-Apnoe leiden. Es besteht jedoch laut den Wissenschaftlern kein kausaler Zusammenhang zwischen Schlafunterbrechungen und einer dieser Krankheiten.


Dieser Artikel wurde von pressetext.austria veröffentlicht und ist unter http://www.pressetext.com/news/20110726010 abrufbar.

Freitag, 15. Juli 2011

Handy-App: Gesundheitscheck mit Gehirnwellen

System setzt auf Sensorstirnband wie für die Gedankensteuerung

Sensorstirnband: Misst Gehrinwellen für Handy-App
(Foto: neurosky.com)

Tokio (pte016/15.07.2011/13:50) - Die KDDI R&D La­boratories, Forschungsarm des japanischen Telekom-Konzerns KDDI, haben hat ein Handy-System ent­wickelt, das mithilfe der Gehirnwellen des Nutzers seinen Gesundheitszustand bewertet. Dazu misst die "Mobile Phone Brain Wave Measurement Application" Gehirnströme mit einem Sensorstirnband, berichtet Tech-on. Per Bluetooth-Verbindung gelangen die Daten kabellos auf das Smartphone, wo sie Apps beispiels­weise in Klangform informativ aufbereiten.

Gedankenlesen

Das KDDI-System nutzt ein Sensorstirnband des kalifornischen Unternehmens NeuroSky. Dieses ist ein Spezialist für auf EEG-Technologie basierende Sensorlösungen, der schon vor drei Jahren Gedanken­steuerung für das Handy in Aussicht gestellt hat (pressetext berichtete: http://pressetext.com/news/ 080913007). Der aktuelle Prototyp nutzt die Messung der Gehirnwellen freilich zu einem etwas anderen Zweck - es geht darum, dem Nutzer Information zu seinem Gesundheitszustand zu liefern.

Dazu haben die KDDI-Forscher drei Apps realisiert. Bei "droid touch" geht es darum, wie gut sich der User konzentrieren kann und was das über seinen physischen Zustand aussagt. Die App "brain sound" dagegen wandelt Geringwellen in Klänge um, die dem Nutzer Aufschluss darüber geben, wie es ihm geht. Das Ziel von "psychology view" wiederum ist, die Vitalität des Gehirns zu ermitteln.

Mobile Gesundheit

Bislang existieren nur Prototypen der Apps, doch will KDDI noch in diesem Jahr kommerzielle Umsetzungen folgen lassen. Dabei spekuliert das Unternehmen darauf, dass die NeuroSky-Sensoren in absehbarer Zeit billiger werden. So futuristisch die Idee von Handy-Apps, die mithilfe kabelloser EEG-Messungen den Gesundheits­zustand prüfen, sein mag, so sehr liegt sie im Trend der Zeit - immerhin planen die X Prize Foundation und Qualcomm bereits ein Preisrennen für die Umsetzung eines kompletten, realweltlichen Star-Trek-Tricorders (pressetext berichtete: http://pressetext.com/news/110513003/).


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Zu viel Googeln macht uns vergesslich

Internet dient als neuer Informationsspeicher

Google: Hat Erinnerungsfunktionen verändert
(Foto: flickr.com, Steve Jurvetson)

New York (pte009/15.07.2011/11:11) - Der globale Informationsspeicher Internet verhilft Usern und ihrem Gedächtnis zu einer starken Entlastung. Allerdings macht er auch vergesslich. Zumindest organisieren wir dadurch die Art neu, wie wir uns erinnern, formuliert es Psychologin Betsy Sparrow von der Columbia University. Dabei kommt dem Wissen, wo eine Information gefunden werden kann, eine größere Bedeutung zu als der Information selbst. Google und Co haben die Funktionsweise unseres Erinnerungsvermögens verändert.

Wie Freunde und Familie

Daten sind im Internet permanent verfügbar und dank Suchmaschinen kinderleicht wiederzufinden. Das Gedächtnis verlässt sich zunehmend darauf. Im Web abrufbare Details speichert es kaum mehr. Sobald wir hingegen davon ausgehen, dass bestimmte Dinge nicht online verfügbar sind, erinnern wir uns viel wahrscheinlicher daran, erklärt die Expertin. Zwar müssen auch die Methoden, Kanäle und Wege erst erlernt werden, wie im Netz Informationen zu finden sind. Dies verlangt den Nutzern jedoch weniger Gedächtnisleistung ab als die Information selbst in Erinnerung zu behalten.

Das Gehirn vertraut auf das Internet als Datenspeicher in gleicher Art und Weise, wie es auf Freunde, Familie oder etwa Arbeitskollegen vertraut. Es verlässt sich darauf, dass gewisse Erinnerungen oder gesuchte Informationen hier wieder abgerufen werden können. In einer Ordnerstruktur fällt es den Usern beispielsweise einfacher, die Ordner zu benennen, in denen Informationen abgelegt wurden, als deren eigentliche Inhalte. Online denken die Nutzer zudem gerade bei schwierigen Problemstellungen aktiv an Google und Co, um einen möglichen Lösungsweg zu finden.


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Mittwoch, 13. Juli 2011

Schlaf ordnet das Gehirn neu

Leichtschlaf stärkt Informationsfluss zwischen Gedächtnisregionen

Schläferin: Gehirnregionen nutzen die Ruhe im Schlaf
(Foto: pixelio.de/CFalk)

München (pte088/13.07.2011/13:58) - Schon länger vermutet die Wissenschaft, dass unser Gehirn im Schlaf neue Informationen verfestigt und somit ab­speichert. Einen biologischen Mechanismus dieses Prozesses haben Münchner Forscher vom Max-Planck-Institut für Psychiatrie nun entdeckt. Wie sie in der Zeitschrift "Journal of Neuroscience" aufzeigen, ändern sich beim Einschlafen die funktionellen Ver­knüpfungen im Gehirn. Große Bewegungen finden nicht erst im Tiefschlaf, sondern bereits viel früher statt.

Die Forscher baten Versuchspersonen, im Magnet­resonanz-Tomograph und bei gleichzeitiger Beo­bachtung per Elektro­enzephalogramm (EEG) einzu­schlafen. Mit diesen Geräten beobachteten sie während der leichten und tiefen Schlafphasen am Beginn der Nacht die Hippokampus-Region des Gehirns, die eine Hauptrolle bei der kurzfristigen Gedächtnisspeicherung im Wachsein spielt. "Bereits frühere Studien zeigten, dass der Hippokampus beim Einschlafen schnell aus dem Netzwerk für Selbstbeobachtung, Tagträume oder Erinnerungen aussteigt. Uns interessierte, was er dabei tut", erklärt Studienleiter Michael Czisch im pressetext-Interview.

Schrittweise Abschottung

Sichtbar wurde, dass der Hippokampus beim Einschlafen ganz neue Arbeitsaufträge in Angriff nimmt. Die funktionellen Verbindungen mit dem Temporallappen - zuständig für episodisches Langzeitgedächnis - nehmen zu, und auch die im EEG sichtbaren Schlafspindeln deuten auf hohe Synchronisationstätigkeit. "Gerade im leichten Schlaf ist der globale Informationsfluss zwischen den einzelnen Gehirnregionen sehr stark. Ermöglicht wird diese enorme Arbeitsleistung offensichtlich durch das Abschotten von äußeren Einflüssen, das mit dem Einschlafen erreicht wird", so der Wissenschaftler.

Noch mehr Störungsfreiheit zwecks besserer Konzentration erreicht das Gehirn scheinbar im Tiefschlaf. Sobald diese Phase erreicht wird, nehmen selbst die funktionellen Verknüpfungen des Hippokampus mit anderen Regionen wieder ab. "Das Gehirn tauscht dann keine Informationen mehr zwischen verschiedenen Bereichen aus, sondern verarbeitet sie in lokalen Netzwerken. Das erklärt auch, warum wir im Tiefschlaf derart in Bewusstlosigkeit sind und Informationen von Außen nicht mehr wahrnehmen", erläutert Czisch.


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Montag, 4. Juli 2011

Babys können mit drei Monaten Gefühle "hören"

Gehirn kann Stimmen und Emotionen bereits sehr früh verarbeiten

Baby: Frühe Unterscheidung von Gefühlen
(Foto: aboutpixel.de/Steve_ohne_S)

London (pte005/04.07.2011/10:00) - Babys können bereits mit drei Monaten auf Gefühle in der mensch­lichen Stimme reagieren. Das ist laut der Studie von King's College London und des University College London viel früher als bisher angenommen. Die Ergebnisse der Scans von 21 schlafenden Kindern legten nahe, dass das Gehirn auf verschiedene Arten von Geräuschen reagiert. Laut Declan Murphy und Evelyne Mercure war es bisher nicht erforscht, wann das Gehirn die Fähigkeit entwickelte, Stimmen und Emotionen zu verarbeiten. Details der Studie wurden in Current Biology veröffentlicht.

In der Folge erhoffen sich Wissenschaftler Aufschlüsse über die Art und Weise, in der sich autistische und nichtautistische Gehirne entwickeln. Mittels funktioneller Magnetresonanztomografie (fMRI) wurde aufge­zeichnet, wie die Babys auf Aufnahmen von Geräuschen voller Emotionen reagierten. Dazu gehörten Lachen und Weinen aber auch Hintergrundgeräusche wie Wasser oder Spielzeug. Ein Teil des Gehirns, der so genannte temporale Kortex, wurde beim Abspielen von menschlichen Stimmen aktiviert. Die gleiche Region wird auch bei Erwachsenen aktiviert.

Entscheidender Fortschritt

Das limbische System des Gehirns reagierte stark auf negative oder traurige Geräusche. Es macht jedoch bei neutralen und glücklichen Geräuschen keinen Unterschied. Murphy erklärte laut BBC, dass diese Entdeckung einen entscheidenden Fortschritt in der Erforschung der kindlichen Entwicklung bedeute. Mercure ergänzte, dass es sich um einen der seltenen Nachweise dafür handle, dass im Gehirn bereits sehr früh spezialisierte Bereiche existieren. Die Wissenschaftler untersuchen zusätzlich auch die Gehirne von Babys, bei denen ein Autismusverdacht zum Beispiel durch bereits erkrankte Geschwister besteht. Sie erforschen, ab wann genau Unterschiede festgestellt werden können.


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Freitag, 1. Juli 2011

Sozialer Druck verfälscht das Gedächtnis

Erinnerungen werden durch Aussagen anderer neu geschrieben

Zwei Köpfe: Aussagen anderer verändern die Erinnerung
(Foto: pixelio.de/Altmann)

London/Rehovot/Wien (pte021/01.07.2011/13:40) - Ein wenig sozialer Druck kann schon genügen, um das Gedächtnis eines Menschen zu manipulieren. Forscher vom Weizmann Institute und des University College Londons berichten in der Zeitschrift "Science" von einem speziellen Aktivitätsmuster des Gehirns, das auf verfälschte Erinnerungen deutet. Dabei geht es nicht nur um Anpassung an Falschaussagen anderer, konn­ten sie in Experimenten zeigen. Sogar als sicher ge­glaubte Bestandteile des Gedächtnisses können völlig neu beschrieben werden.

Ein Ereignis, viele Versionen

Falsche Erinnerungen und das Implantieren von Gedanken sind nicht erst seit dem Kinofilm "Inception" bekannt. Details des Hergangs eines Autounfalls oder des gemeinsam verbrachten Urlaubs klingen bei den Beteiligten später oft völlig unterschiedlich, Zeugen vor Gericht sind in ihrer Erinnerung immer wieder von Medienberichten beeinflusst und speziell Demenzpatienten haben manchmal Probleme, Erinnerung und Realität zu trennen. "Falsche Erinnerung ist für Menschen so real wie die historische", so der Wiener Neuro­psychologe Johann Lehrner gegenüber pressetext (siehe: http://pressetext.com/news/20100816023).

Sicheres kommt ins Wanken

Genauer untersucht haben die britischen und israelischen Forscher das Phänomen nun in einer Testreihe. Probanden wurden dazu viermal mit je einigen Tagen Abstand ins Versuchslabor eingeladen. Zuerst sahen sie in kleinen Gruppen einen Dokumentarfilm, beim zweiten Mal sollten sie Fragen zum Film beantworten und angeben, wie sicher sie sich dabei waren. Beim dritten Mal wiederholte man den Erinnerungstest in einem fMRI-Gehirnscanner, wobei die Forscher den Probanden jedoch scheinbare Antworten anderer Gruppen­teilnehmer vorlegten.

Unter diesem "Spickzettel" befanden sich auch einige falsche Antworten zu Fragen, die die Versuchspersonen zuvor schon korrekt und sicher beantwortet hatten. Die meisten - 70 Prozent - schlossen sich hier den frei erfundenen Falschaussagen an. Dass sie die falschen Erinnerungen tatsächlich für echt hielten, zeigte der Abschlusstest. Bei diesen klärte man die Probanden darüber auf, dass die scheinbaren Angaben der Kollegen nur zufallsgeneriert waren und bat sie zur nochmaligen Beantwortung. Einige überlegten es sich nochmals und korrigierten auf das ursprünglich Richtige, die Hälfte blieb jedoch hartnäckig im Irrtum.

Achillesferse im Gehirn

Spannend ist, was sich bei diesen "false memories" im Gehirn abspielt. Denn dessen Aktivität unterscheidet sich sichtbar, je nachdem ob die falschen Gedächtnisinhalte nur kurzfristig infolge sozialen Drucks zustande kamen oder dauerhaft sind. Bei Letzteren wird der Hippocampus, der das Langzeitgedächtnis steuert, stark aktiviert und mit der Amygdala verknüpft, die laut den Forschern die Gehirnteile für Soziales und für Gedächtnis miteinander verschaltet und mitentscheidet, was abgespeichert wird. Bei dieser Schwachstelle könnte sozialer Druck dafür sorgen, dass sichere Gedächtnisinhalte durch falsche ersetzt werden.


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