Mittwoch, 29. Juni 2011

Leser überhören sogar Wutausbrüche

Konzentration auf Sehreize macht taub für Emotionen

Ehepaar: Erst nach der Lektüre ist der Mann ganz Ohr
(Foto: Flickr/Simoes)

Jena (pte037/29.06.2011/13:45) - Konflikte unter Ehe­paaren beginnen manchmal damit, dass der Mann in seine Zeitung vertieft ist und die Frau auf wiederholte Fragen keine Antwort bekommt - selbst wenn ihr Ton dabei zunehmend schärfer wird. Psychologen der Universität Jena appellieren an die Geduld bis zum Ende der Zeitungslektüre. Die ausbleibende Reaktion deutet nicht auf Desinteresse des Mannes, denn dieser kann die Frau in dieser Situation gar nicht hören, behaupten sie in der Zeitschrift "Journal of Neuroscience".

Gehirn ist überfordert

Zwar verarbeitet das Gehirn emotionale Hörreize ganz automatisch, doch trifft das bei Ablenkung nicht mehr zu. "Überschreitet die zusätzliche Information eine bestimmte Grenze, blockiert die Konzentration auf Visuelles die sozialen Reize völlig. Das Gehirn hat für deren Aufnahme und Verarbeitung keine Kapazitäten mehr frei. Deshalb klingt in dieser Situation selbst eine wütende Stimme nur mehr neutral", berichtet Studienleiter Martin Mothes-Lasch im pressetext-Interview.

Die Forscher spielten Versuchspersonen Tonbeispiele vor, bei denen diese entweder eine wütendende oder einer neutrale Stimme hörten. Möglichst schnell galt es anzugeben, ob ein Mann oder eine Frau sprach. Gleichzeitig zeigte man auf einem Bildschirm zwei Symbole, bei denen die Probanden zwischen Kreuz und Kreis unterscheiden mussten. Der Kernspintomograph zeigte, dass wütende Töne die Gehirnregion für soziale Reize weit stärker aktivieren. Bei zeitgleicher Konzentration auf das Sehen wird diese Region jedoch stillgelegt.

Kein reines Männerproblem

"Es machte keinen Unterschied, ob die Probanden oder die gehörten Stimmen männlich oder weiblich waren. Somit handelt es sich nicht um ein geschlechtsspezifisches Phänomen", betont Mothes-Lasch. Das Ergebnis zeigt ein Stück weit, wie unser Gehirn bestimmten Reizen Aufmerksamkeit zuteilt - ein Wissen, das eines Tages für die Entwicklung neuer Therapien etwa von Angsterkrankungen nützlich sein könnte.


Dieser Artikel wurde von pressetext.austria veröffentlicht und ist unter http://www.pressetext.com/news/20110629037 abrufbar.

Hummeln fliegen mit Routenplaner

Insektengehirn löst komplexes Problem der Mathematik

Hummel im Flug: Tiere ermitteln die optimale Route
(Foto: FlickrCC/Doheny)

London (pte029/29.06.2011/12:20) - Wenn Hummeln und Bienen ihre Honigsammel-Routen planen, ver­suchen sie die nektarreichsten Blumen auf der kürzestmöglichen Distanz zu erreichen. Das konnten Biologen der Londoner Queen Mary Universität beweisen. Wie sie in der Zeitschrift "Functional Ecology" berichten, stimmen Hummeln den Aufwand der Flugdauer und die Chance auf Ertragsmenge in optimalem Verhältnis aufeinander ab, was als kom­plexe Leistung gilt.

Kürzeste Rundreise

Blumen stehen an festgelegten Orten und stellen Nachschub an Nektar bereit, sobald dieser ent­nommen wurde. Tiere, die sich auf diesen Typ Nahrungsquelle spezialisieren, besuchen oft wiederholt dieselben Orte in bestimmten Rhythmen. "Auch wenn diese Form der Nahrungssuche bei Fallen bei Bienen, Vögeln und Primaten relativ weit verbreitet ist, weiß man noch sehr wenig darüber, wie die dazu nötigen Wegstrecken möglichst kurz gehalten werden", erklärt Studienleiter Mathieu Lihoreau.

Die Forscher schickten Hummeln auf Reise zu fünf künstlichen Blumen, die in einem Fünfeck angeordnet waren. Befüllte man alle Blumen mit derselben Nektarmenge, studierten die Tierchen mit der Zeit die kürzeste Besuchsroute ein. War die Ausbeute bei einer Blumen jedoch deutlich höher als bei den anderen, so war die Situation anders. In beachtlichem Tempo entschieden die Hummeln, ob es sich lohnte, diese Blume künftig zuerst anzufliegen. War der Umweg dafür zu lange, so blieben sie bei ihrer alten Reihenfolge, wobei einzelne Hummeln mit der Zeit die Distanz und Nektarmenge tatsächlich optimierten.

Fliegende Computer

Diese Leistung des Hummel- und Bienengehirns erinnert stark an das Rundreiseproblem. Bei dieser mathe­matischen Aufgabe gilt es, mehrere vorgegebene Orte in der Reihenfolge zu besuchen, die die kürzeste Strecke bis zum Ausgangsort zurück ermöglicht. Neben der Distanz ist als weiterer Faktor auch die Größe der Belohnung entscheidend. Bisher wird das Problem mit aufwändigen Formeln und Computerprogrammen gelöst.

Zur Standardausrüstung der Bienen und Hummeln gehört jedoch nicht nur der Routenplaner, sondern auch ein Kalorienzähler. Anders als der Mensch können die Honigsammler bei der Rückkehr in den Stock berechnen, wie viel Energie sie für den Weg benötigt haben, während der sichtbare Abstand keine Rolle spielt. Diese Information wird dann per Tanzsprache den Artgenossen weitergegeben (pressetext berichtete: http:// pressetext.com/news/20100120013).


Dieser Artikel wurde von pressetext.austria veröffentlicht und ist unter http://www.pressetext.com/news/20110629029 abrufbar.

Gehirnähnliche Computer rücken näher

Phasenwechselmaterialien können gleichzeitig rechnen und speichern

Gehirn: Computer sollen ähnlicher funktionieren
(Foto: flickr, Matthew Purdy)

Exeter (pte003/29.06.2011/06:10) - Forschern an der University of Exeter ist ein großer Schritt in Richtung gehirnähnlichen Computern gelungen. Den Schlüssel dazu bilden Phasenwechselmaterialien (phase-change materials, PCM), die bislang vor allem als Nachfolger für Flash-Speicher gehandelt wurden. Das Team konnte erstmals nachweisen, dass eine PCM-Zelle gleichzeitig Daten verarbeiten und speichern kann - im Unterschied zu heutigen Computern, bei denen Prozessor und Speicher getrennte Einheiten sind.

Zudem können PCM-Zellen quasi als Neuronen und Synapsen fungieren. "Wenn es gelingt, ein hochgradig verschaltetes System solcher Synapsen und Neuronen zu konstruieren, ergäbe das ein einfaches phasen­wechsel-basiertes 'Gehirn'", meint David Wright, Professor für Elektro- und Computertechnik in Exeter, gegenüber pressetxt. Sein Team plant bereits eine Konzept­demonstration, wenngleich vorerst in sehr kleinem Maßstab.

Rechnender Speicher

In den letzten Jahren haben Phasenwechselmaterialien nicht zuletzt durch die Arbeit von IBM und Intel einen gewissen Bekanntheitsgrad erreicht - allerdings nur als Speichertechnologie. Wie die Forscher aus Exeter im Journal Advanced Materials berichten, konnten sie zeigen, dass mit PCMs zugleich Berechnungen in den vier Grundrechnungsarten möglich sind. Weiters ist ein Hardware-Neuron aus einer PCM-Zelle zu fertigen und eine auch die Funktion einer Synapse nachzubilden. Das nötige Design ist laut Wright viel einfacher, als das mit Silizium-Technologie möglich wäre.

Interessant ist die Entwicklung deshalb, weil das dem Gehirn viel ähnlichere Computer in Aussicht stellt. Denn das Geflecht aus Neuronen und Synapsen im biologischen Vorbild ist sowohl für biologischen als auch Erinnerung zuständig. Bei bisherigen Computern sind die entsprechenden Funktionen physisch klar getrennt. Der Prozessor führt Berechnungen aus, doch müssen Daten laufend im Arbeitsspeicher oder längerfristig auf der Festplatte abgelegt werden, damit sie der Rechner nicht "vergisst".

Zukunftstechnologie

Im Prinzip sollten sich mittels PCMs Systeme realisieren lassen, die ähnlich wie das biologische Vorbild lernen und sich anpassen können. "Wir planen in Exeter als nächstes einen sehr kleinen Demonstrator, mit vielleicht zehn bis 100 verbundenen Zellen, für einfache Aufgaben wie Objekterkennung oder das Lösen von Labyrinthen", sagt Wright. Wenn die Arbeit wie geplant verläuft, werden kommendes Jahr die Ergebnisse der Experimente vorliegen.

"Einige kleine, spezialisierte 'nuromorphe' Computer mit PCM-Zellen könnten schon in naher Zukunft in Laboren entstehen", so der Wissenschaftler. Bis zu gehirnähnlichen Allzweckcomputer ist der Weg aber wohl noch weit. Für den technologischen Ansatz spricht dabei, dass die PCM-Elemente theoretisch sowohl mit elektrischen als auch optischen Signalen funktionieren - also sowohl in Verbindung mit klassischer Elektronik als auch in künftigen optischen Computern.


Dieser Artikel wurde von pressetext.austria veröffentlicht und ist unter http://www.pressetext.com/news/20110629003 abrufbar.

Dienstag, 28. Juni 2011

Ersatzhirn für eine vergessliche Zukunft

Ein Computersystem soll Alltagsroutinen älterer Menschen speichern und diese bei Bedarf abrufbar machen

Computerhirn für Alltagsroutinen?
(Foto: Fotolia.com/Kaulitzki)

Das Lieblingsgericht zubereiten oder einen Film auf Video aufzeichnen: Die alltäglichsten Dinge können zu einem unüberwindbaren Problem werden, wenn das Gehirn in die Jahre kommt und das Gedächtnis einfach aussetzt oder sich Demenz einschleicht.

Diese Erfahrung hat Heinrich Mayr, Rektor der Alpen-Adria-Universität Klagenfurt und Leiter des Instituts für Angewandte Informatik, bei seiner Mutter gemacht. Das brachte ihn auf die Idee, ein Forschungsprojekt zur Unterstützung betagter Menschen zu starten. Das Ziel: Die Gedächtnisleistung eines Menschen so zu konservieren, dass sie abgerufen werden kann, sobald die Vergesslichkeit überhand­nimmt.

Beobachten und lernen

Als Ersatz für das verlorene Wissen soll die Technik einspringen. Dafür muss sie aber erst lernen, wie ein Mensch denkt und wie er sich bei bestimmten Abläufen verhält. "Es geht darum, das individuelle Verhalten eines Menschen Schritt für Schritt abzuspeichern, damit es später wieder abgerufen werden kann", erklärt die Informatikerin Judith Michael, Mitarbeiterin am interdisziplinär aufgestellten Forschungsprojekt "Human Behaviour Monitoring Support" (HBMS).

In einer ersten Phase des Projekts, das Anfang Juni startete und vorerst ein Jahr lang läuft, werden die Verhaltensweisen von 20 bis 30 älteren Personen ganz genau unter die Lupe genommen: "Wir beobachten verschiedene Szenarien: Alltagsroutinen wie den Ablauf der Morgentoilette, elektronische Prozesse wie Online-Banking oder die Bedienung von Geräten", schildert Michael.

Jeder einzelne Schritt wird in ein Computersystem eingespeist, das typische Verhalten des jeweiligen Menschen in einem Modell abbildet. Versagt nun das Gedächtnis, wenn man den Videorekorder einschalten oder eine Torte backen will, soll das System dem Gehirn auf die Sprünge helfen, indem es anzeigt, welche Schritte in welcher Reihe durchzuführen sind.

"Wir arbeiten vorerst an einem Prototyp, der auf Handys und Tablet-PCs läuft und unaufdringlich in die Lebenswelt der Menschen integriert werden kann. Das System könnte zum Beispiel in einem Bilderrahmen am Nachttisch versteckt sein", sagt Judith Michael. Bei der Entwicklung des Systems orientieren sich die Klagenfurter Forscher an den Standards anderer Projekte aus dem Bereich "ambient-assisted living" (AAL), einem Fachgebiet, das sich mit Technologien beschäftigt, die älteren Menschen ermöglichen sollen, möglichst lange selbstbestimmt zu leben. Eine Herausforderung sei nun, alltägliche Aktivitäten in einer Form darzustellen, die die tatsächliche Wahrnehmung der Nutzer widerspiegelt und leicht nachvollzogen werden kann. "Das System wird gezielt auf die Lebens- und Begriffswelt des jeweiligen Benutzers abgestimmt", betont Michael. So soll das ganz persönliche Wissen für die Zukunft gespeichert werden und bei Bedarf Gedächtnislücken schließen.

Eingreifen, wenn nötig

In weiterer Folge soll das Projekt, das derzeit durch die Heidelberger Klaus-Tschira-Stiftung finanziert wird, ausgedehnt werden: So könnte das System seine Schützlinge über vernetzte Geräte und Sensoren automatisch beobachten und selbstständig die Verhaltensweisen eines Menschen "trainieren".

Die Klagenfurter Informatiker arbeiten auch an Diagnosesystemen, die abweichendes Verhalten erkennen und eingreifen, wenn der Nutzer etwa ein Gerät nicht richtig bedient oder Hilfe benötigt. "Derzeit arbeiten wir mit Texten und grafischen Darstellungen, längerfristig könnten auch Videos und Fotos eingebaut werden", sagt Judith Michael. Wie viel Wissen bis dahin in den Abgründen des Gedächtnisschwunds verlorengeht, ist allerdings nur sehr schwer absehbar.


Dieser Artikel wurde von Der Standard (Autorin: Karin Krichmayr) veröffentlicht und ist unter http://derstandard.at/1308679917394/Medizin-und-Technik-Ersatzhirn-fuer-eine-vergessliche-Zukunft abrufbar.

Mittwoch, 22. Juni 2011

Mehr Speicher für das Hirn

Speicher-Erweiterung fürs Gehirn?

Forscher der University of South California haben einen Chip kreiert, der das Gedächtnis von Ratten erweitert. Wie bei einer Festplatte, die an einen Computer angeschlossen wird, konnten sich die Ratten an Dinge erinnern, die sie zuvor auf dem Chip gespeichert hatten. Beim Ausschalten des Chips vergaßen sie das Erlernte wieder.

Die Technik soll nun an Affen getestet werden und könnte später im Kampf gegen Alzheimer eingesetzt werden.



Dieser Artikel wurde von OÖ Nachrichten (2011-06-22) veröffentlicht und ist unter http://www.nachrichten.at/ratgeber/digital/art122,655820 abrufbar.

Dienstag, 21. Juni 2011

Ratten-Gedächtnis elektronisch wiederhergestellt

Implantate sollen Patienten eines Tages im Alltag helfen

Laborratten: Konnten sich wieder erinnern
(Foto: FlickrCC/Sarah Fleming)

Los Angeles (pte013/21.06.2011/11:05) - Durch das Umlegen eines Schalters und einen Impuls elektrischer Energie haben Wissenschaftler der University of Southern California Ratten erneuten Zugang zu verlorenen Erinnerungen ermöglicht. Dieses Konzept könnte eines Tages Menschen mit Schädigungen des Gehirns helfen, sich im Alltag zurecht zu finden. Das Team um Theodore Berger implantierte Elektroden in den Hippokampus. Ziel war es, Muster der Gehirn­aktivität aufzuzeichnen während die Tiere lernten mehrere Hebel für eine Belohung zu bewegen.

In einem nächsten Schritt wurde die Erinnerung an diese Aufgabe durch die Injektion von Chemikalien in den Hippokampus gelöscht. Damit wurde die Signalübertragung zwischen den Neuronen blockiert, die für den Zugang zu langfristigen Erinnerungen notwendig sind. Bei den folgenden Tests konnten die Ratten die Aufgabe nicht mehr lösen. Als die Wissenschaftler das Gehirn mit dem Aktivitätsmuster stimulierten, das zuvor aufgezeichnet worden war, erhielten sie ihre Fähigkeit die Hebel in der richtigen Reihenfolge zu bewegen wieder zurück.

Zugriff auf Original-Erinnerungen

Die Tiere hatten trotz der chemischen Blockade zeitweise auch Zugriff auf die originalen Erinnerungen. Erhielten sie durcheinandergewürfelte Versionen des Codes, konnten sie die Aufgabe ebenfalls nicht mehr erfüllen. Die Wissenschaftler hoffen laut NewScientist eines Tages Implantate herzustellen, die die Codes für 20 bis 30 einfache Aufgaben enthalten. Damit soll Patienten ermöglicht werden, einfache Dinge wie Sprechen oder Anziehen wieder selbst übernehmen zu können. Laut Berger wird die Verschlüsselung dieser Aufgaben alles andere als einfach sein: "Dabei handelt es sich um sehr grundlegende Fähigkeiten. Es hat bereits sehr viel Arbeit erfordert überhaupt soweit zu kommen." Details der Studie wurden im Journal of Neural Engineering veröffentlicht.


Diese Meldung wurde von pressetext.austria ausgedruckt und ist unter http://www.pressetext.com/news/20110621013 abrufbar.

Montag, 20. Juni 2011

Handystrahlen beeinflussen das Lernen

UMTS-Frequenzen in erhöhter Dosis wirken ähnlich wie Stress

Mädchen mit Handy: Strahlenrisiko weiter beforscht
(Foto: aboutpixel.de/Markus)

Bochum (pte025/20.06.2011/13:56) - Elektromagne­tische Felder, wie sie etwa beim Handytelefonat entstehen, können in verstärkter Form Lernprozesse im Gehirn beeinträchtigen. Das berichten Forscher der Universität Bochum in der Zeitschrift "PLoS ONE" auf Basis von Tierversuchen. Das Telefonieren ist aufgrund zu geringer Feldstärke unbedenklich, beruhigen die Wissenschaftler. Für Berufe mit höherer Exposition wie etwa bei manchen Sicherheitsdiensten oder bei Militärs sollten die Grenzwerte jedoch überprüft werden.

Anatomische Wirkungen

Hochfrequentige elektromagnetische Felder (HEF) werden von Mobil- und Hörfunk sowie Fernsehen und Schnurlostelefonie genutzt. Im Körper des Anwenders können sie Wärme erzeugen - und zwar umso mehr, je stärker ihr Magnetfeld ist. UMTS-fähige Handys haben schwache Feldstärken bis maximal 4,8 V/m, wobei sich die thermische Wirkung auf das Hirngewebe mit rund 0,1 Grad in Grenzen hält. Mögliche Folgen einer über 30-minütigen Anwendung auf Funktion und Struktur des Gehirns sind jedoch noch ebenso wenig eindeutig geklärt wie etwa die erhöhte Zellwand-Durchlässigkeit oder beeinträchtigte Lernprozesse.

Letztere gehen nicht nur auf erhöhten Stress bei Experimenten, sondern auch auf nicht-thermische HEF-Wirkungen zurück, konnten die Bochumer Forscher rund um Nora Prochnow nun zeigen. Sie setzten dazu Ratten verschieden starken nichtthermischen HEFs im UMTS-Frequenzbereich aus und überprüften mittels Elektrophysiologie die Prozesse des neuronalen Lernens sowie der synaptischen Gedächtnisbildung. Der Stress des Experiments alleine beeinflusste bei den Tieren bereits die Synapsen und das Gedächtnis. Der Vergleich mit Kontrolltieren zeigte jedoch, dass auch starke elektromagnetische Felder ähnlich signifikant wirken.

Handy außerhalb der Gefahrenzone

Felder einer Stärke des SAR-Wertes von zehn Watt/kg beeinflussen das Lernen und die Gedächtnisbildung, während Felder der SAR-Stärke null und zwei Watt/kg keine messbaren Beeinträchtigungen liefern, so das Ergebnis. Damit ist zumindest die Handy-Alltagsnutzung nicht betroffen. Wie Fachexperten auf pressetext-Anfrage bestätigen, liegt die Feldstärke bei Smartphones normalerweise im Milliwatt-Bereich und erreicht selbst bei Höchstleistung einer gleichzeitigen WLAN-, Bluetooth- und UMTS-Nutzung bloß Werte von maximal 1,5 Watt.

Abstract der Studie unter http://www.plosone.org/article/info:doi/10.1371/journal.pone.0019437


Diese Meldung wurde von pressetext.austria ausgedruckt und ist unter http://www.pressetext.com/news/20110620025 abrufbar.

Donnerstag, 16. Juni 2011

Gehirntraining als Therapie für Gewaltverbrecher

Verhaltensneurobiologe will mit Furcht verbundene Areale aktivieren

Gewalt: Forscher will Gehirne trainieren
(Foto: aboutpixel.de/Daniel Werner)

Tübingen (pte020/16.06.2011/12:05) - Der Tübinger Verhaltensneurobiologe Niels Birbaumer ist davon überzeugt, dass man Gewalttätern ihre Impulse durch Gehirntraining abtrainieren kann. "Es gibt die verbreitete Vorstellung, ein bestimmter Teil des Gehirns sei für ein Verhalten verantwortlich", sagt er im pressetext-Gespräch. In Wirklichkeit aber seien es aber Verbindungen. Birbaumer und seine Mitarbeiter haben Experimente mit Schwerverbrechern in Strafanstalten gemacht. Seine These ist, dass bei diesen Menschen Furcht-Reaktionen nicht funktio­nieren.

Bei den Schwerverbrechern möchte Birbaumer die mit Furcht verbundenen Areale des Gehirns aktivieren. Der Neurobiologe will testen, ob er mit seinen Methoden eine Neigung zur Gewalttätigkeit auf Dauer dämpfen kann. Andere Versuche sollen Pädophilen helfen, ihre sexuellen Neigungen zu steuern. Birbaumer kann sich ferner vorstellen, Fettsüchtigen durch Gehirntraining beizubringen, den Drang zum Essen zu unterdrücken.

Militär wollte Soldaten kontrollieren

Die Forschungen von Birbaumer muten futuristisch an und werfen die Frage auf, was Menschen schlimmstenfalls mit dieser Methode machen könnten. "Das US-amerikanische Militär wollte mit der Methode ihre Soldaten kontrollieren - dabei ist nicht viel herausgekommen. Es ist nicht so einfach, wie sich die Militärs das vorgestellt haben", sagt Birbaumer auf pressetext-Nachfrage. Birbaumer möchte mit seinen Mitarbeitern an unter­schiedlichen praktischen Beispielen das "Lernen von Hirnkommunikation", wie er es nennt, studieren.

In bisherigen Untersuchungen hat der Forscher beobachtet, dass zwanzig bis dreißig Prozent der Menschen, die im Wachkoma liegen, ihre Umwelt durchaus wahrnehmen. "Die Personen verlieren den Willen zu kommunizieren, weil sie keinen Erfolg mit ihren Versuchen haben", sagt Birbaumer. Er möchte die Reflexe dieser Menschen zur Kommunikation aktivieren. Dazu spricht man ihnen Sätze vor, auf die sie mit "Ja" oder "Nein" denkend antworten können.

Mutter-Kind-Kommunikation über das Gehirn

Über die Hirnsignale lernen die Wissenschaftler, ein "Ja" von einem "Nein" zu unterscheiden. Schließlich bieten sie dann auch Aussagen an wie "Ich möchte anders liegen" oder "Ich bin traurig", auf die ebenfalls Ja- und Nein-Hirnsignale folgen. Ähnliche Versuche plant Birbaumer mit Kleinkindern, die noch nicht sprechen können und eine ihrer Wahrnehmung eingeschränkte Mutter haben. Mit Computerhilfe soll die Mutter von ihrem Kind Signale bekommen, die ihr die Wünsche des Kindes deutlich macht.


Diese Meldung wurde von pressetext.austria ausgedruckt und ist unter http://www.pressetext.com/news/20110616020 abrufbar.

Stillen schützt vor plötzlichem Kindstod

Muttermilch bietet dem Kind Gehirntraining und Körperabwehr

Stillen: Beste Vorsorge gegen Säuglingssterblichkeit
(Foto: Flickr/Sebibeiro)

Charlottesville/Dresden (pte004/16.06.2011/06:10) - Gestillte Babys haben ein geringeres Risiko, am plötzlichen Kindstod zu sterben. Das berichtet Fern Hauck von der Virginia University in der Zeitschrift "Pediatrics". Sie analysierte dazu die Studienlage der vergangenen 45 Jahre zum Thema. Gestillte Kinder wachen nachts leichter auf und haben eine meist bessere Immunabwehr, erklärt die US-Forscherin den Zusammenhang. "Stillen ist eine der wichtigsten Präventionsmaßnahmen gegen SIDS", bestätigt auch Ekkehart Paditz, Leiter des Zentrums für Angewandte Prävention, im pressetext-Interview.

Schon wenig Milch vorteilhaft

Vom "plötzlichen Kindstod" (Sudden infant death syndrome, SIDS) spricht man dann, wenn ein Kind im ersten Lebensjahr stirbt - meist in der Schlafenszeit - ohne dass andere Todesursachen gefunden werden. Besonders im Alter zwischen zwei und vier Monaten ist die Gefahr dafür am höchsten. Haucks Studienvergleich zeigte, dass gestillte Kinder eindeutig besser davor geschützt sind als Fläschchengenährte. Egal wie lange Kinder Muttermilch trinken, sinkt ihr SIDS-Risiko deutlich. Dauert das Stillen zwei Monate oder länger, so reduziert sich die Gefahr um 62 Prozent, bei ausschließlich gestillten Säuglingen sogar um 73 Prozent.

Was genau SIDS auslöst, ist in der Forschung noch immer nicht geklärt. Mehrere Risikofaktoren sind allerdings bekannt, deren Vermeidung in Folge für die Prävention maßgeblich ist. "Als wichtigster Risikofaktor gilt bisher die Bauchlage von Babys beim Schlafen, doch auch das Überdecken des Gesichts mit Kissen oder Spielzeugen, sowie aktiver oder passiver Zigarettenrauch während der Schwangerschaft oder danach tragen zu erhöhter Gefahr bei", erklärt Paditz.

Weiße Wunderwaffe

Stillen als vierter bekannter Faktor ist hingegen ein Schutzmechanismus. Der Dresdener Präventionsforscher bringt wie seine US-Kollegin die über die Muttermilch transportierten Antikörper ins Spiel, sowie auch die verbesserte Aufwach-Aktivitäten. Letztere zeigen sich etwa durch das tiefe Luftholen in Schreckmomenten, erklärt der Experte. "Es ist ein Alarmsystem des Gehirns, das ein komplexes neuronales Netzwerk erfordert. Dieses entsteht einerseits durch optimierte Aminosäuren der Muttermilch, doch auch die Interaktion beim Stillen - Körperkontakt, Blickkontakt und akustische Kontakte - dürfte eine Rolle spielen."

Dass Stillen noch weit subtiler vor SIDS schützt, zeigt die Tatsache, dass Mütter weit eher das Rauchen aufgeben, wenn sie stillen. Auch die ständige Aktivierung des Kiefergelenks beim Saugvorgang und das Schlucken gehören dazu. "Die Umsetzung derartiger Erkenntnisse half dabei, dass sich die Zahl der deutschen SIDS-Fälle zwischen 1991 und 2009 von 1.285 auf 196 reduziert hat. Seltener ist der plötzliche Kindestod jedoch in den Niederlanden, wo die Gesundheitsberufe intern besser vernetzt sind, sowie in Griechenland, wo Impfprophylaxe, Rauchprävention, Stillen und die familiäre Interaktion höheren Stellenwert haben", so Paditz.

Aktuelle Datenlage zu SIDS unter http://angewandte-praevention.de/pdf/ksm_2011_paditz.pdf


Diese Meldung wurde von pressetext.austria ausgedruckt und ist unter http://www.pressetext.com/news/20110616004 abrufbar.

Dienstag, 14. Juni 2011

Gehirnforschung kämpft mit Finanzierungskrise

In zehn Jahren wurde nur ein neues Antidepressivum zugelassen

Medikamente: Entwicklung dauert im
Schnitt 13 Jahre (Foto: fotodienst.at)

Utrecht (pte011/14.06.2011/10:50) - Die Forschung bei Erkrankungen des Geistes wie Depressionen steckt in einer ernsten Krise. Darauf macht eine Studie des European College of Neuropsychopharmacology auf­merksam. Die Wissen­schaftler warnen, dass neue Behandlungsansätze hinaus­gezögert werden und die nächste Generation von Neurowissenschaftlern nicht entsprechend ausgebildet sein wird. Private Firmen ziehen sich aufgrund der Schwierigkeiten, die Medikamente auf den Markt zu bringen, zurück. Gefordert werden mehr Investitionen und Ver­änderungen bei der Durchführung von Tests. Die aktuelle Studie ist das Ergebnis eines Gipfeltreffens von mehr als 60 Vertretern von Regierungen, Universitäten, der Pharmaindustrie und Patienten­gruppen.

Bis zu 80 Prozent der Finanzierung für Gehirnforschung in Europa stammt traditionell aus dem privaten Sektor. Die Pharmafirmen ziehen sich zurück. Grund dafür sind die enormenKosten, die anfallen bis das Medikament wirklich beim Patienten ankommt. Es dauert laut Studie viel länger ein Medikament gegen eine Geisteskrankheit zu entwickeln, als jede andere Arznei. Durchschnittlich liegt die Entwicklungszeit bei 13 Jahren. Diese Medikamente haben eine höhere Ausfallsrate und es ist schwerer, eine Zulassung zu bekommen. Mit Agomelatin wurde in Europa in den letzten zehn Jahren nur ein Antidepressivum zugelassen.

Mehr öffentliche Gelder

Guy Goodwin von der University of Oxford erklärte laut BBC, dass die fehlenden Mittel zu einer Generationenkrise in der Neuroforschung und in der Ausbildung führen könnten. Die Wissenschaftler fordern mehr öffentliches Geld für die Gehirnforschgung. "Die Kosten und die Auflagen sind ziemlich hoch, gleichzeitig sind die Investitionen unverhältnismäßig gering. Die öffentlichen Investitionen in die Forschung sollten in einem Verhältnis zu der Belastung durch diese Krankheiten stehen", schreiben die Autoren. Die Studie macht einige Vorschläge, wie mehr Investoren gewonnen werden könnten.

Denkbar wäre zum Beispiel die Vergrößerung der Zielgruppe. Das würde die Medikamente für die Unternehmen profitabler machen. Zusätzlich wurde ein europäischer Medizinschrank vorgeschlagen. Pharmaunternehmen könnten Medikamente spenden, die sie nicht länger für die Forschung benötigen. Sie könnten dann von anderen Organisationen genutzt werden. Medikamente, die für die Behandlung von Alzheimer ausgeschieden wurden, könnten für die Forschung anderer psychischer Erkrankungen eingesetzt werden.


Diese Meldung wurde von pressetext.austria ausgedruckt und ist unter http://www.pressetext.com/news/20110614011 abrufbar.