Donnerstag, 24. März 2011

Mäuse: Gehirnchemie legt sexuelle Vorlieben fest

Serotonin-Mangel führt zu Orientierung für ebenfalls männliche Partner

Maus: Sexuelle Orientierung beeinflussbar
(Foto: pixelio.de, Ich-und-Du)

Peking (pte011/24.03.2011/10:00) - Eine Chemikalie im Gehirn kontrolliert laut Wissenschaftlern des National Institute of Biological Sciences die sexuelle Ausrichtung bei Mäusen. Yan Liu und Yun'ai Jiang haben nachgewiesen, dass Mäuse, die ohne Serotonin gezüchtet wurden, ihre geschlechtliche Vorliebe für weibliche Tiere verlieren. Sie schreiben in Nature, dass damit erstmals nachgewiesen wurde, dass ein Neurotransmitter eine Rolle bei der sexuellen Ausrichtung von Säugetieren spielt. Wie die BBC schreibt, warnen indes Experten wie Keith Kendrick vom Babraham Institute davor, daraus Rückschlüsse auf die menschliche Sexualität zu ziehen.

Tests belegen Vermutungen

In einem ersten Schritt züchteten die Wissenschaftler männliche Mäuse, deren Gehirne für Serotonin nicht aufnahmefähig waren. Eine Reihe von Experimenten konnte nachweisen: Tiere verloren die Vorliebe für weibliche Tiere, die von nicht veränderten Mäusen gezeigt wird. Wurden ihnen Partner präsentiert, wiesen sie keine allgemeine Präferenz auf, also weder für männliche oder weibliche Tiere. Wurde nur ein männliches Tier in den Käfig gelassen, war es sehr viel wahrscheinlicher, dass die gezüchteten Mäuse auf sie - wie normalerweise auf weibliche Partner - reagierten.

Ähnliche Ergebnisse wurden mit einer zweiten Serie von Tieren erzielt. Ihnen fehlte das Gen Tryptophan-Hydroxylase 2 (Tph2), das für die Bildung von Serotonin notwendig ist. Eine Präferenz für weibliche Tiere konnte bei diesen Mäusen durch die Injektion von Serotonin in das Gehirn wieder hergestellt werden. Die Wissenschaftler kommen zu dem Schluss, dass die serotoninerge Signalgebung für die sexuelle Präferenz von männlichen Mäusen von entscheidender Bedeutung ist.


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Montag, 21. März 2011

Autismus: Protein stört Kommunikation im Gehirn

Mutationen von Shank3 führen bei Mäusen zu klassischen Symptomen

Maus: Motiertes Protein mitschuld an Autismus
(Foto: aboutpixel.de/Rosita Sellmann)

Durham (pte010/21.03.2011/11:00) - Wissenschaftler der Duke University haben nachgewiesen, dass ein einzelnes Protein Störungen des autistischen Spektrums auslösen kann, indem es die effektive Kommunikation zwischen den Gehirnzellen stoppt. Das Team um Guoping Feng schuf durch die Mutation des Gens, das die Produktion des Proteins Shank3 kontrolliert, autistische Mäuse. Die Tiere wiesen soziale Probleme und repetitive Verhaltensmuster auf, beides klassische Symptome von Autismus und ähnlichen Krankheiten. Die in Nature veröffentlichte Studie macht Hoffnung auf die ersten wirksamen Behandlungsansätze mit Medikamenten.

Hunderte Gene gefunden

Es wurden bereits Hunderte Gene gefunden, die mit dem Autismus in Zusammenhang stehen. Die genaue Kombination von Genetik, Biochemie und anderen Unweltfaktoren, die zu einer Erkrankung führen, ist bis jetzt noch nicht erforscht. Jeder Patient verfügt nur über eine oder eine Handvoll dieser Mutationen. Das macht es schwierig, entsprechende Medikamente zu entwickeln. Shank3 findet sich in den Synapsen, den Kontaktstellen zwischen den Gehirnzellen, die es ihnen ermöglichen miteinander zu kommunizieren.

Mutierte Form

Die von den Wissenschaftlern geschaffenen Mäuse, verfügten über eine mutierte Form von Shank3. Es zeigte sich, dass diese Tiere soziale Interaktionen mit anderen Mäusen vermieden. Sie wiesen auch ein sich wiederholendes und selbstverletzendes Putzverhalten auf.

Als das Team die Gehirne der Tiere analysierte, fand es Defekte in den Schaltkreisen, die zwei verschiedene Bereiche des Gehirns miteinander verbinden und zwar zwischen dem Kortex und dem Striatum. Gesunde Verbindungen zwischen diesen beiden Bereichen gelten als Schlüssel einer effektiven Regulierung von sozialem Verhalten und sozialer Interaktion.

Genaue Defekte ermitteln

Die Wissenschaftler erklären laut BBC, dass ihre Forschung die wichtige Rolle von Shank3 bei der Schaffung der Verbindungen im Gehirn unterstreiche, denen unser ganzes Verhalten unterliege. Feng betonte, dass die aktuelle Studie demonstriert habe, dass Shank3-Mutationen bei Mäusen zu Defekten bei der Kommunikation zwischen Neuronen führten. Diese Studienergebnisse und das Tiermodell ermöglichten jetzt, die genauen Defekte in den neuralen Verbindungen zu ermitteln, die zu diesem abnormalen Verhalten führen. Damit eröffneten sich neue Strategien und Ziele für Behandlungsansätze.

Es wird angenommen, dass nur ein kleiner Prozentsatz der Autisten über Shank3-Mutationen verfügt. Feng geht jedoch davon aus, dass viele andere Erkrankungen ebenfalls auf Störungen von Proteinen zurückzuführen sind, die die Funktion der Synapsen kontrollieren. Ist diese Annahme richtig, könnte es möglich sein, Behandlungsformen zu entwickeln, die diese Funktion wieder herstellen, egal welches Protein bei einem bestimmten Patienten fehlerhaft ist.


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Donnerstag, 17. März 2011

Warum Neuronen Meister der Datenverarbeitung sind

Forscher weisen nach, warum Nervenzellen der Großhirnrinde deutlich schnellere Signale verarbeiten und weiterleiten als lange vermutet

Neuronen in der Großhirnrinde empfangen tausende synaptische
Signale von anderen Zellen. Dieses "synaptische Bombardement"
führt dazu, dass der elektrische Strom in die Zelle stark fluktuiert.

Göttingen. - Arbeiten Neuronen in der Großhirnrinde in Gruppen zusammen, dann können sie deutlich schnellere Signale verarbeiten und weiterleiten als lange ver­mutet. Warum das so ist haben deutsche Wissenschaftler jetzt erstmals erklären können. Ihre theoretischen Berechnungen zeigen, dass allein die Geschwindigkeit, mit der ein einzelnes Neuron ein Signal abfeuert, die Kommunikationsgeschwindigkeit einer Gruppe begrenzt. Neuronenverbunde können somit mit einigen hundert Einzelreizen pro Sekunde umgehen. Von ihren Ergebnissen berichten die Göttinger Wissenschaftler in der Fachzeitschrift Physical Review Letters.

Jedes Neuron in der Großhirnrinde steht unter "Dauerbeschuss": Es empfängt ständig elektrische Pulse, so genannte Spikes, von etwa 10.000 anderen Nervenzellen, leitet selbst aber nur etwa zehnmal pro Sekunde einen eigenen Puls weiter. Nach getaner Arbeit benötigt jedes Neuron danach eine kurze Erholungszeit: Treffen in direkter Folge nach einem eigenen Spike weitere Pulse die Zelle, ist sie noch nicht wieder aufnahmebereit und kann die neue Information nicht verarbeiten. Das Neuron verstummt.

In der Gruppe bis zu zehn Mal schneller

Bisher gingen Wissenschaftler deshalb davon aus, dass die Großhirnrinde nur Signale mit Frequenzen von bis maximal 20 Hertz bewältigen kann. Doch jüngste Experimente haben gezeigt, dass Gruppen von Neuronen deutlich schneller reagieren können als gedacht. Sie kommen mit Signalen von bis zu 200 Hertz zurecht. Eine Erklärung für dieses Verhalten gab es bisher nicht.

"Damit ein theoretisches Modell dieses Verhalten erklären kann, muss es die Dynamik der elektrischen Ströme in der Zellmembran genau berücksichtigen", erklärt Fred Wolf vom Max-Planck-Institut für Dynamik und Selbstorganisation (MPIDS) den Ansatz seiner neuen Studie. Trifft ein Spike an einer Nervenzelle ein, baut sich eine elektrische Spannung an der Zellwand auf. Wegen der Vielzahl der ankommenden Pulse fluktuiert diese Spannung permanent. Doch erst wenn sie einen bestimmten Wert überschreitet, entscheidet sich das Neuron, ebenfalls einen Puls abzufeuern. Dieser Prozess des Abfeuerns dauert nur wenige Bruchteile einer Millisekunde.

Den Göttinger Wissenschaftern ist es nun erstmals gelungen, diesen komplizierten Ablauf in ein Modell so einzubeziehen, dass zu einem eingehenden Signal die Antwort einer Neuronengruppe direkt berechnet werden konnte. "Leitet die Gruppe kein Ausgangssignal mehr weiter, ist dies ein Zeichen, dass das Eingangssignal zu schnell war und die Neuronen überfordert hat", erklärt Wei Wei vom MPIDS den Grundgedanken des Modells.

Während der Pause springt ein anderes Neuron ein

Die Rechnungen der Forscher zeigen, dass keinesfalls die Dauer der Erholungsphase die Geschwindigkeit der neuronalen Kommunikation begrenzt. Denn während sich ein Neuron erholt, kann ein anderes einspringen. Eine obere Grenze für die Verarbeitungsgeschwindigkeit hängt stattdessen nur von der deutlich kürzeren Zeit ab, die das Neuron zum Aufbau eines Pulses benötigt. Teams von Neuronen können somit problemlos hochfrequente Signale von einigen hundert Hertz empfangen und weiterleiten.

Die neuen Ergebnisse könnten unter anderem von großer Bedeutung für die Entwicklungsneurobiologie sein. Schon lange wissen Forscher, dass bei Säuglingen und Jungtieren visuelle Erfahrungen erst ab einem bestimmten Alter neue Verknüpfungen der Nervenzellen in der Großhirnrinde auslösen. "Die allerersten Reize hingegen verändern die Architektur des Neuronennetzes kaum", erklärt Siegrid Löwel, Neurobiologin an der Universität Göttingen.

Mithilfe der neuen Ergebnisse ließe sich dieses Phänomen nun im Prinzip erklären. Denn das Knüpfen neuer Ver­bindungen funktioniert nur dann zuverlässig, wenn die Neuronen möglichst schnell und präzise auf eingehende Sinnesinformationen reagieren können. Sollte sich im Experiment herausstellen, dass die Neuronen von Jung­tieren nicht so schnelle Signale verarbeiten können wie die ausgewachsener Tiere, würde dies diese Erklärung bestätigen.


Dieser Artikel wurde von Der Standard (Autorin: Karin Krichmayr) veröffentlicht und ist unter http://derstandard.at/1297820457327/Gehirnforschung-Warum-Neuronen-Meister-der-Datenverarbeitung-sind abrufbar.

Dienstag, 1. März 2011

Gehirn entwickelt bei Blinden neue Fähigkeiten

Visueller Kortex ist viel aktiver als bei Sehenden

Gehirn: Ungenutzte Areale werden neu programmiert
(Foto: pixelio.de, Dieter Schütz)

Cambridge (pte010/01.03.2011/10:00) - Das geistige Auge kann bei von Geburt an blinden Menschen eine Fähigkeit für die Verarbeitung von Sprache entwickeln. Mit Hilfe der funktionellen Magnetresonanz-tomographie ist es jetzt Wissenschaftlern des MIT gelungen zu zeigen, dass der visuelle Kortex auch bei Blinden aktiviert wird. Am meisten faszinierte das Team um Rebecca Saxe, dass das geschieht, wenn Aufgaben gelöst werden, die mit Sprache zu tun haben. Details der Studie wurden in den Proceedings of the National Academy of Sciences veröffentlicht.

Neue Fähigkeiten erwerben

Saxe erklärte, dass diese Ergebnisse zuerst nicht plausibel erschienen. Denn bisher war die Wissenschaft davon ausgegangen, dass der visuelle Kortex bei sprachlichen Aufgaben keine Rolle spielt. Sie lud daher Sehende und von Geburt an Blinde ein, sich Texte anzuhören während sie im MRI-Scanner lagen. Es zeigte sich, dass sich die Sprache verarbeitenden Zentren des Gehirns aller Teilnehmer fast identisch verhielten. Die Aktivität des visuellen Kortex war jedoch bei den blinden Teilnehmern deutlich höher.

Auch Evelina Fedorenko, eine Mitautorin der Studie, war sehr erstaunt. "Es gibt einen Bereich des Gehirns, der von Geburt an eine bestimmte Aufgabe hat. Er ist jedoch in der Lage, neue Fähigkeiten auf sehr hohem Level zu erwerben, die eine sehr hohe kognitive Leistung verlangen." Fedorenko geht davon aus, dass blinde Menschen, die durch ihren visuellen Kortex eine Verstärkung erhalten, bei sprachlichen Aufgaben besser abschneiden könnten als Sehende.

Gehirn verändert sich spontan

Amir Amedi von der Hebrew University of Jerusalem betont, dass diese Art der Flexibilität des Gehirns bereits bekannt ist, berichtet der NewScientist. Frühere Studien hätten gezeigt, dass das Gehirn eine neurale Region, die für einen Sinn wie Sehen, Riechen oder Hören bestimmt ist, auch für einen anderen nutzen kann. Das sei zwar an sich schon faszinierend, das Entscheidende an der aktuellen Studie sei aber, dass sich das Gehirn spontan verändert, nur weil ein Mensch ohne die Fähigkeit zu sehen geboren wurde.


Diese Meldung wurde von pressetext.austria ausgedruckt und ist unter http://www.pressetext.com/news/20110301010 abrufbar.