Dienstag, 11. Oktober 2011

Schlafmangel verändert Verdrahtung des Gehirns

Fehlender Synapsen-Abbau bei Jugendlichen infolge von Wachbleiben

Wach in der Nacht: Schlaf ist die Synapsen-Müllabfuhr
(Foto: Flickr/Miller)

Madison/Leoben (pte004/11.10.2011/06:00) - Wenn Jugendliche zu wenig Schlaf bekommen, kann das langfristige Spuren im Gehirn hinterlassen. Einen Hinweis dafür bei Tieren haben Forscher der University of Wisconsin-Madison in der Zeitschrift "Nature Neuroscience" erbracht. Wie sie zeigen konnten, bringt Schlafmangel bei pubertären Mäusen den Rhythmus aus dem Gleichgewicht, in dem die Verbindungen zwischen den Gehirnzellen entstehen.

Ausgleich durch Schlaf

Die Verbindungen der Nervenzellen im Gehirn verändern sich je nach Tageszeit deutlich, zeigen frühere molekular- und elektrophysiologische Studien: Während die sogenannten Synapsen während der Wachzeit aufgrund der laufenden Lernerfahrungen zahlenmäßig zunehmen, werden sie im Schlaf wieder weniger, weil das Gehirn unnötige Verbindungen wieder auflöst. Im 24-Stunden-Rhythmus bleibt deshalb die Gesamt-Synapsenzahl in etwa gleich.

Gleichzeitig strukturiert sich auch in der Jugend das Gehirn neu, da sich gerade zu dieser Zeit viele neue Synapsen bilden und wieder eliminiert werden. Da Jugendliche oft sehr unregelmäßig schlafen - Chronobiologen bezeichnen das immer spätere Zubettgehen sogar als wesentliches Merkmal der Pubertät (pressetext berichtete: http://pressetext.com/news/20090422016) - wollten die Forscher nun den Effekt von Schlafentzug auf das Gehirn erheben.

Gestörte Verdrahtung

Untersucht wurden jugendliche Mäuse, die ein gelb fluoreszierendes Protein bilden. Das erlaubt es, die Zahl der Synapsen im Gehirn mittels Zwei-Photonen-Mikroskopie am lebenden Tier zu beobachten. Mäuse, die nach zehnstündiger Wachzeit zum Wachbleiben gezwungen werden, bilden im sensomotorischen Cortex weiterhin dendritische Dornen, welche die Synapsen beinhalten. Schlafende Tiere bauen hingegen Dornen ab, zeigte sich.

"Wenn man in der Jugend auf Dauer zu viel Schlaf verliert, könnte das den Ergebnissen zufolge lange anhaltende Folgen für die Verdrahtung des Gehirns haben", so die Studienleiterin Chiara Cirelli. Ob der in der Jugend manchmal auftretende chronische Schlafmangel denselben Effekt habe wie die akute Manipulierung, sei jedoch noch nicht geklärt. "Möglicherweise sind die Veränderungen harmlos, kurzfristig und reversibel - oder sie beeinträchtigen die Gehirnreifung dauerhaft. Wir wissen es noch nicht."

Leistungsfähigkeit und Verhalten

"Langfristige neurologische Bewegungsstörungen durch Schlafmangel in der Jugend sind nicht bekannt. Durchaus tritt aber Schlafmangel gemeinsam mit kognitiven und psychiatrischen Problemen auf", erklärt Reinhold Kerbl, Präsident der Österreichischen Gesellschaft für Schlafmedizin, im pressetext-Interview. Betroffen sind dabei etwa die Lern- und Denkleistung, die Konzentrationsfähigkeit, hormonelle Veränderungen bis hin zum depressiven Verhalten, Aggression und ADH-Störungen.


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Freitag, 7. Oktober 2011

Faires Verhalten startet im Gehirn

Therapeutischer Nutzen für psychiatrische Patienten

Gehirnmasse: Selbstkontrolle will gelernt sein
(Foto: pixelio.de, F. Vogelskamp)

Zürich (pte021/07.10.2011/13:00) - Zivilisiertes Zusammenleben setzt voraus, dass sich Menschen an soziale Normen halten. Die Einhaltung dieser Normen stellen wir mit Sanktionierungen sicher. Häufig geschieht eine solche Bestrafung sogar auf eigene Kosten. Dieses Verhalten widerspricht dem ökonomischen Eigennutz des Bestrafenden und verlangt die Kontrolle egoistischer Impulse, so Forscher der Universitäten Zürich und Basel. "Es geht bei unserer Studie darum, dass wir in vielen Handlungen unseren Eigennutz unterdrücken müssen, um uns sozial und fair zu verhalten", so Thomas Baumgartner von der Universität Zürich gegenüber pressetext.

Dieser Prozess ist etwa zu finden beim Spenden von Geld, aber auch beim Sanktionieren von Normverletzungen. "Stellen sie sich dabei folgende Situation vor: Ein Interaktionspartner schlägt ihnen ein Geschäft vor, womit er und sie viel Geld verdienen könnten. Gleichzeitig würde es aber auch dazu führen, dass Sie damit eine Firma in den Konkurs reißen, wobei viele Arbeitsplätze verloren gingen. Machen sie dabei mit oder nicht?", fragt Baumgartner. Um nicht dabei mitzumachen, und sich sozial verträglich zu verhalten, müsste man in diesem Fall den persönlichen Eigennutzen unterdrücken - "etwas, das in gewissen Wirtschaftszweigen höchstwahrscheinlich zu selten geschieht".

Eigennutz unterdrücken

In der Untersuchung haben die Forscher ein Paradigma verwendet, was dieser Geschäftssituation nahe kommt und haben dabei herausgefunden, dass präfrontale Regionen im Gehirn bei erfolgreicher Selbstkontrolle des Eigennutzens eine sehr gewichtige Rolle spielen. Die neuen Erkenntnisse könnten auch zur therapeutischen Verwendung bei psychiatrischen, forensischen Patienten bedeutend sein. Patienten, die ein stark antisoziales Verhalten zeigen, weisen auch häufig eine reduzierte Aktivität im ventromedialen präfrontalen Kortex auf.

Diese Gehirnregion ist aber für eine nicht-invasive Gehirnstimulation nicht direkt erreichbar, weil sie zu tief im Gehirn verankert ist. Die Resultate der Studie weisen darauf hin, dass die Aktivität dieser Gehirnregion erhöht werden könnte, würde man mittels Gehirnstimulation die Aktivität im dorsolateralen präfrontalen Kortex erhöhen. "Diese indirekt herbeigeführte Erhöhung der Aktivität der frontalen Gehirnregionen könnte dazu beitragen, das prosoziale und faire Verhalten bei solchen Patienten zu verbessern", schlussfolgert die Psychologin Daria Knoch.


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