Samstag, 24. April 2010

Gedächtnistraining: Warum die Kuh auf der Bahre liegt

Gedächtnistraining boomt. Wie man sich Fakten, Namen und Gesichter merkt. Und... ach ja: was das alles mit der liegenden Kuh zu tun hat.

Roland Geisselhart, bekannter deutscher Gedächtnistrainer
(Bild: (c) Clemens Fabry)

(24.04.2010 18:10) Der 19-jährige Daniel Reiter besucht die Abschlussklasse einer höher bildenden Schule in Salzburg. Durch einen Unfall, bei dem sein bester Freund stirbt, erleidet Daniel eine Kopf­verletzung. Ab diesem Moment erinnert er sich an jede Sinneswahr­nehmung, nichts kann er mehr ver­gessen: ungeahnte Möglichkeiten stehen ihm offen.

Das ist der Plot eines Kinofilms, mit dem vor wenigen Tagen drei Maturanten Salzburg verblüfften. Der mit gerade einmal 10.000 Euro Budget ausgestattete Film ist ein Maturaprojekt – und was für eines. 160 Leute wirkten an der Produktion mit, darunter eine Vielzahl von Laienschauspielern, zwei professionelle Darsteller – und Gunther Karsten, der deutsche Gedächtnisweltmeister. Er spielt sich in dem Film selbst: als Teilnehmer eines Gedächtniswettbewerbs, an dem auch Daniel teilnimmt.

Anders als Daniel, der nichts mehr vergessen kann, geht es freilich dem Rest der Bevölkerung. Die meisten Menschen vergessen nicht zu wenig, sondern zu viel. Haben ein „Hirn wie ein Sieb“. Und wollen das in vielen Fällen dringend ändern.

Zerstreut

Daher boomt seit drei, vier Jahren die Disziplin des Gedächtnistrainings. Gerade in der Krise, glaubt der deutsche Gedächtnistrainer Roland Geisselhart, sei der Mensch die einzige Ressource, an der man noch schrauben, drehen und verbessern könne. Und die Ressource Mensch hat das nötiger denn je: Weil Helferlein vom Taschenrechner übers Handy (Stichwort Telefonnummern) bis zum Onlinelexikon dem Kopf die Arbeit abnehmen, ist das Hirn oft ganz schön untrainiert, beobachtet Geisselhart. Und durch die vielen Informationen auch zunehmend zerstreut.

Das merkt man: „Vor 20 Jahren waren die Menschen beim Gedächtnistraining besser“, konstatiert Geisselhart, der seit 30 Jahren die Kunst lehrt, sich Dinge zu merken. Dafür ist es ihnen heute umso wichtiger. Banker, Architekten oder zuletzt Wiener Wirtschaftstreuhänder – alle wollen ihre Merkfähigkeit verbessern.

Die mentale Wunschliste

Ganz oben auf der mentalen Wunschliste: Namen und Gesichter. „Ich weiß, ich kenne Sie, aber wie heißen Sie bloß?“, ist als Begrüßung nicht eben von Vorteil weder für das Zwischenmenschliche noch fürs Geschäftliche. Ebenfalls begehrt: Argumente und Fakten merken. Für die freie Rede, das Verkaufsgespräch oder den Streit, bei dem man dem Partner mal alles so richtig geballt an den Kopf werfen möchte.

Wer diese Fähigkeiten trainieren will, kommt um sogenannte Mnemotechniken kaum herum. Womit wir bei der Sache mit der Kuh und der Bahre angekommen wären. Denn dabei geht es vor allem um die Ausbildung der Visualisierung. Die ist nötig, weil sich das Hirn lieber Bilder als Wörter merkt. Warum „liegen“ auf Latein ausgerechnet „cubare“ heißt, ist für das Hirn nämlich nicht unbedingt auf den ersten Blick ersichtlich. Deshalb gilt es, eine bildliche Verbindung zu schaffen. Absurdität ist dabei kein Hindernis. Wer sich im Folgenden also detailreich vorstellt, wie die gut genährte Kuh gemütlich auf der Bahre liegt, hat gute Chancen, sich das Vokabel auf ewig zu merken.

Ähnlich funktioniert das mit den zehn Dingen, die man heute unbedingt noch erledigen muss. Jeder Zahl von eins bis zehn entspricht ein Symbol, das der Zahl ähnelt (z. B. eine Kerze für eins, ein Schwan für die Zwei, ein Dreizack für die Drei). Wenn Punkt eins auf der Liste der Einkauf für das Abendessen ist, bastelt man sich gedanklich eine Geschichte rund ums Candle-Light-Dinner. Was war nochmal Punkt eins? Die Kerze! Ach ja, das Abendessen.

Merkhilfen

Die Methode funktioniert verblüffend gut und klingt doch reichlich mühsam. Kein Problem, meint Geisselhart. Ein Tag reiche, um die grundlegende Strategie zu erlernen. „Nach diesem Tag merkt man sich schon doppelt so viel, wie man sich zugetraut hätte.“ Dann ist Üben angesagt, sonst dauert es zu lange, um sich die Geschichten auszudenken. Übt man brav, kommen Bilder und Geschichten bald ganz automatisch, versichert er. Später merkt man sich Dinge dann auch leichter, ohne Bilder dazu zu entwerfen.

Nach demselben Prinzip kann man lernen, Namen und Gesichter zu verknüpfen. Man nehme ein auffälliges Merkmal einer Person sowie den Namen, Teile davon oder etwas, das ähnlich klingt, und bastle daraus eine Verbindung. Dann sollte man eigentlich nur noch darauf achten, die womöglich wenig schmeichelhafte Assoziation unbedingt für sich zu behalten.

Auch Zahlenkombinationen lassen sich durch Assoziationsketten weniger leicht durcheinander bringen. Der neue Bankomatcode? 3672 könnte heißen: Der Zoodirektor nimmt den Dreizack (3), sticht damit den Elefanten (er steht für die 6) in den Hintern, der läuft gegen die Fahnenstange (7), die fällt in einen Teich und erschreckt den Schwan (2).

Lächerlich? „Studierte“, lacht Geisselhart, „brauchen etwas länger fürs Umschalten auf das Kreativ-Bildliche.“ Statt einer Stunde zwei. Dann fabulieren auch sie. Richtig gut können das Kinder. Die, sagt Geisselhart, haben ein nahezu fotografisches Gedächtnis, das merkt man beim Memory. „Aber in den ersten vier Schuljahren verlernt man das.“ Wer das bildhafte Denken wieder übe, finde neuen Zugang zu Intuition, Kreativität und unbewussten Talenten.

Bleibt die Sache mit dem Nudelsieb. Was tut man mit jemandem, der die Fragen fürs Interview mit dem Gedächtnistrainer im Drucker vergisst? Da, sagt Geisselhart, hilft leider auch Training wenig. Sein Tipp: „Nicht liegen lassen, gleich einstecken.“ Aber so schlimm ist es wohl auch wieder nicht. Das merkt auch Daniel, der Held des Maturantenfilms (Sie erinnern sich?). Der wünscht sich nämlich sehr bald nichts sehnlicher, als wieder vergessen zu können.

Roland Geisselhart zählt zu den Pionieren des Gedächtnistrainings im deutschsprachigen Raum. Er hat Gedächtnisweltmeister ausgebildet, ist Buchautor und hält auch in Österreich Seminare.

Der Film „Unforgettable“ ist ein Maturaprojekt von Adrian Goiginger und läuft u.a. in Salzburg und Graz.


Dieser Artikel wurde von Die Presse (Printausgabe 25.04.2010) veröffentlicht und ist unter http://diepresse.com/home/leben/560631/Gedaechtnistraining_Warum-die-Kuh-auf-der-Bahre-liegt abrufbar.

Freitag, 23. April 2010

Lernen im Traum

Gehirn kann Aufgaben im Schlaf lösen

Patient im Schlaflabor: Träume helfen beim Lernen
(Foto: DPA)

In Träumen verarbeitet das Gehirn, was es tagsüber gelernt hat. Wie erfolgreich es dabei ist, sollte ein Computer-Experiment klären. Von den Ergebnissen waren selbst die Wissenschaftler überrascht.

Im Schlaf kommt es im Hirn zu erstaunlichen Vorgängen - unter anderem schreiben Forscher ihm die Fähigkeit zu, die Erfahrungen des Tages zu verarbeiten und zu verfestigen. Jetzt haben israelische und amerikanische Forscher in Experimenten zum räumlichen Lernen herauszufinden versucht, wie gut das Gehirn im Schlaf lernt - und sind zu erstaunlichen Ergebnissen gekommen.

Die Studie

Die 99 Studienteilnehmer konnten zuerst eine Stunde lang ihre Orientierungsfähigkeit virtuell trainieren: Sie mussten versuchen, am Computer so schnell wie möglich einen Endpunkt in einem dreidimensionalen Labyrinth zu erreichen. Danach hielt die Hälfte der Probanden ein Nickerchen von 90 Minuten, die anderen blieben wach, wobei sie sich passiv beschäftigten - beispielsweise durch das Anschauen von Videos.

Die Schläfer wurden eine Minute nach dem Eintreten in einen kontinuierlichen Schlaf wieder geweckt und mussten dann beschreiben, was sie geträumt hatten. Danach schliefen sie ungestört weiter und berichteten anschließend wieder über ihre Träume. Die Wachenden mussten mehrmals während der eineinhalbstündigen Pause sagen, was ihnen gerade durch den Kopf ging. Fünf Stunden nach dem ersten Training am Computer wurden alle Teilnehmer erneut auf ihre Schnelligkeit im Irrgarten getestet.

Das überraschende Resultat: Wer zuvor Träume mit einer Beziehung zur Aufgabe erlebt hatte, zeigte dramatische Verbesserungen beim Spiel. Der Zeitgewinn lag bis zu zehnmal höher als bei den Schläfern ohne die labyrinthbezogene Traumarbeit, die sich nur minimal verbesserten. Die Wachenden dagegen stagnierten völlig, sogar wenn sie während der Pause über die Irrgarten-Aufgabe nachgedacht hatten, schreiben die Wissenschaftler um Erin Wamsley von der Harvard Medical School in Boston im Fachmagazin Current Biology (siehe Original-Artikel in Englisch).

Träume ein Nebenprodukt der Erfahrungsverarbeitung?

Bei den erfolgreichen Träumern wurde die deutliche Verbesserung auch festgestellt, wenn die Träume nur von einem nebensächlichen Aspekt des Computerspiels handelten. "Die Träumer beschrieben ganz unterschiedliche Erlebnisse - das Hören der Begleitmusik des Spiels, ein Feststecken in einer labyrinthähnlichen Höhle mit Fledermäusen, den Anblick von Personen an einer Kreuzung", sagt Wamsley.

Die Ergebnisse deuten nach Ansicht der Forscher darauf hin, dass unser Gehirn während eines Traums mit dem Verarbeiten von neuen Informationen und Lerninhalten beschäftigt ist. Zugleich werden die gewonnenen Erfahrungen in einen größeren Zusammenhang gestellt - beispielsweise könnten die Labyrinth-Erfahrungen bei der Frage verwendet werden, wie ein Mensch mit vielen Informationen umgeht./p>

Träume verbessern Lernfähigkeit und Gehirnleistung

"Die Träume scheinen diese unbewusste Gehirnaktivität als Nebenprodukt zu begleiten", sagt Co-Autor Robert Stickgold. Es seien also wohl nicht die Träume, die zu einer besseren Gehirnleistung verhelfen würden, sondern diese seien nur ein Zeichen, dass einige Gehirnregionen aktiv neue Erfahrungen verarbeiteten.

Interessanterweise waren die Personen, die von der Labyrinth-Aufgabe träumten und sich dann im zweiten Durchgang stark verbesserten, im ersten Durchgang relativ schlecht gewesen. Das Gehirn beschäftigt sich also vermutlich während des Träumens mit den Inhalten, die ein Mensch noch nicht beherrscht.

Die Wissenschaftler werden nun ihre Studie mit längeren Schlafzeiten in der Nacht wiederholen. Sie hoffen, aus ihren Experimenten schließlich praktische Informationen zu erhalten, wie wir im Traum unsere Lernfähigkeit und Gehirnleistung verbessern können.


Dieser Artikel wurde von Spiegel online veröffentlicht und ist unter Lernen im Traum: Gehirn kann Aufgaben im Schlaf lösen abrufbar.

Mittwoch, 21. April 2010

Videogames: Gehirntraining hat keine Wirkung

Spieler können Gelerntes nicht auf den Alltag übertragen

Auch mit viel Training werden Spieler nicht zu Genies
(Foto: S. Hofschlaeger/pixelio.de)

London (pte009/21.04.2010/10:35) - Programme und Video­spiele, die das Gehirn trainieren, verbessern die allgemeine Leistungsfähigkeit nicht. Zu diesem Ergebnis ist eine von der BBC initiierte Studie gekommen. Die größte bisher durchgeführte Untersuchung begleitete 11.430 Menschen sechs Wochen lang, um herauszufinden, welche Auswirkungen - wenn überhaupt - das Spielen von Trainingsprogrammen am Computer haben kann.

Fortschritte nicht übertragbar

Die Wissenschaftler berichten in Nature, dass die Spieler zwar immer besser wurden, dass diese Fortschritte aber nicht auf andere Bereiche übertragbar waren. Es kam zu keinen Verbesserungen in der allgemeinen Argumentation, beim Gedächtnis, der Fähigkeit zu planen oder den räumlich-visuellen Fertigkeiten. Weitere Studien seien jedoch erforderlich, um zu erforschen, ob ein Workout dem Gehirn nutzen kann, wenn es altert.

Alle Teilnehmer waren Seher der BBC-Sendung Bang Goes The Theory. Die getesteten Spiele wurden von Wissenschaftlern des Medical Research Council und der Alzheimer's Society entwickelt. Die Freiwilligen wurden ersucht, diese Workouts für das Gehirn täglich mindestens zehn Minuten lang zu machen, drei Mal wöchentlich für wenigstens sechs Wochen.

Drei Trainingsgruppen

Alle wurden nach dem Zufallsprinzip auf drei Trainingsgruppen aufgeteilt. Bei einem Drittel der Teilnehmer sollte die Fähigkeit zu argumentieren, zu planen und Probleme zu lösen, verbessert werden. Die zweite Gruppe konzentrierte sich auf Kurzzeitgedächtnis, Aufmerksamkeit, mathematische Fähigkeiten und räumlich-visuelle Fertigkeiten. Die dritte Gruppe sollte ohne bestimmte Vorgaben einfach nur im Internet surfen.

Tests vor und nach dem Training ergaben, dass keine der Interventionen die Fähigkeiten der Menschen, den Alltag zu bewältigen, erhöhte. Sie schnitten nur in den jeweiligen Spielen und den einzelnen zu lösenden Aufgaben besser ab.

Stellungnahme von Nintendo

Adrian Owen, ein Neurowissenschaftler des Medical Research Council, erklärte, dass die Ergebnisse eindeutig seien. Es gebe keine statistisch bedeutenden Unterschiede zwischen den drei Gruppen. Der Spielehersteller Nintendo betonte in einer Stellungnahme, dass bei Games wie Dr. Kawashima nicht behauptet würde, dass sie eine wissenschaftlich bewiesene Verbesserung der kognitiven Fähigkeiten erzielen könnten.


Diese Meldung wurde von pressetext.austria erstellt und ist
unter http://www.pressetext.com/news/20100421009 abrufbar.

Freitag, 16. April 2010

Gehirn ist nicht auf Multitasking ausgerichtet

Mehr als zwei Aufgaben gleichzeitig überfordern

Menschliches Gehirn hat Probleme mit Multitasking
(Foto: aboutpixel.de/Heinz Hasselberg)

Paris (pte006/16.04.2010/10:20) - Die Unfähigkeit, sich mit mehr als zwei Dingen gleichzeitig zu beschäftigen, könnte im menschlichen Gehirn fest verdrahtet sein. Versuchen wir zwei Dinge gleichzeitig zu tun, konzentriert sich laut Wissenschaftlern der Ecole Normale Superieure jede Hälfte des Gehirns auf eine Aufgabe. Diese Aufgabenteilung könnte erklären, warum uns Multitasking so schwer fällt, schreibt das Team um Etienne Koechlin in Science.

Drei Aufgaben sind zuviel

Das könnte auch erklären, warum Menschen zu irrationalen Entscheidungen neigen, wenn sie aus einer langen Liste von Dingen oder Begriffen auswählen müssen. Koechlin erläuterte gegenüber der BBC, dass man zwar kochen und gleichzeitig telefonieren könne, aber eine dritte Aufgabe wie zum Beispiel Zeitung lesen eher nicht möglich ist. Bei drei oder mehr Aufgaben verliere man einfach den Überblick über einen Teil.

Die Wissenschaftler nutzten ein bildgebendes Verfahren zur Beobachtung der Gehirnaktivität von 32 Freiwilligen, die gebeten wurden, einen Buchstabenvergleichstest zu machen. Die Scans konzentrierten sich auf den frontalen Cortex, den Teil des menschlichen Gehirns, der mit der Impulskontrolle in Zusammenhang gebracht wird. Absolvierten die Teilnehmer eine Aufgabe nach der anderen, wurde eine Seite eines bestimmten Teils des frontalen Cortex aktiviert. Bei zwei Aufgaben gleichzeitig, teilten die Gehirnlappen die Aufgaben unter sich auf.

Genauigkeit leidet

Eine Aktivität im linken Frontallappen entsprach der primären Aufgabe A und die Aktivität im rechten entsprach der sekundären Aufgabe B. Das Gehirn war in der Lage, das Umschalten zwischen den beiden Hemisphären zu kontrollieren, wenn zwei Aufgaben ausgeführt wurden. Die Genauigkeit litt jedoch, wenn eine dritte hinzugefügt wurde. Koechlin erklärte, dass diese Studienergebnisse erklärten, warum Menschen gut im Lösen von binären Aufgaben sind aber bei Multiple Choice eher schlecht abscheiden.


Diese Meldung wurde von pressetext.austria erstellt und ist
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